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vor Dir, ihrem Heiland, – im Fliehen erhaschte, ihr Auge auf Dich wenden, zu Deiner heiligen, erlösenden Liebe kehren und durch Deines Geistes Kraft im Worte – zum Gebete hinreißen könnte, – daß sie betete und sich für alle Ewigkeiten Dir übergäbe; – wenn ich über ihr Deine Gnade anrufen und sprechen dürfte: „Kehre ein bei dieser Seele, denn siehe, sie betet!“ und Du kämest und hälfest ihr: – Hirte Deiner Schafe, so hättest Du heute ein Schaf gefunden, und es wäre am Abend dieses Tages Freude vor Dir und Deinen Engeln über einen verlorenen Sohn, der wiederkam, – über einen Toten, der lebendig geworden, – über einen Sünder, der Buße that! – Dir stell’ ich’s heim: ich bin Dein – fördere das Werk meiner Hände, Du Liebe ohne Maßen! Amen.


I.

 Als der treue Zeuge JEsu Christi, Stephanus, durch Mörderhände der Menschen mit dem Märtyrerkranze ewiger Ehren gekrönt, heimkehrte zu Seinem Heilande, entstand in Jerusalem eine große Verfolgung der ganzen Christengemeinde. Sie mußten in alle Örter Judäas und Samarias wie Schafe vor dem Wolfe zerstreut werden, auf daß durch sie allerorten die Ehre des Lammes, welches erniedrigt ward, den armen Seelen kund würde. Unter allen Verfolgern aber war zu jener Zeit in Jerusalem keiner, welcher an Wut und Glut einem pharisäischen Jüngling von Tarsus glich; sein weltberühmter Name ist Saulus. Der ging hin und her in die Häuser, spürte aus, wo etwa ein Christ versteckt war, und zog hervor Männer und Weiber und warf sie ins Gefängnis. Der HErr hatte Seine Absichten dabei, warum ER ihm das gelingen ließ – ER hatte seinen stolzen Verfolgungswellen schon das Ziel gesetzt, wo sie brechen und zu JEsu Füßen sich schmiegen mußten, wie ein Hündlein unter den Fußschemel seines Herrn, wo ER sprechen wollte: „hie sollen sich legen deine stolzen Wellen!“ Als in Jerusalem kein Christ mehr war, denn nach des HErrn Willen die heiligen Apostel, welche keine Qual berühren durfte, – da wurden für Saulus die