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Seele – kannst du stille sein? Ja, wenn die Angst deiner Sünden sich deiner bemeistert, dann schreckt dich ein rauschendes Blatt, und du möchtest in der Schande deiner Blöße dich unter alle grünen Bäume verstecken, wenn du den HErrn in der Nähe merkst!


III.

 Lasset uns doch ein wenig bei solchen Gedanken verweilen. Lasset uns die Schiffleute und die Jünger ansehen. Welch ein Tumult im Schiff, welch eine Angst, welch ein Schrecken und Zagen! Warum denn? Brüder! Lasset uns lieber einmal die Frage anders stellen: warum sollen sie sich nicht fürchten? Fürchten sich denn andere Gläubige nicht auch, wenn sie in Nöte kommen? Verdient also die Furcht der Jünger so sehr getadelt zu werden? Antwort: Es giebt eine Furcht, welche mit dem Glauben und mit dem Frieden Gottes bestehen kann, ja, auch mit der Freude im heiligen Geist. Denn wir sollen uns zitternd freuen. Aber eben damit ist auch gesagt, welche Furcht unrecht sei, nämlich die, welche die Seele aus der Freude an Gott, aus der Ruhe und aus dem Glauben wirft. Wer sich gar nicht fürchtet, fällt in Sicherheit, ach, und die ist ein Vorbote, daß das Schiff an einem Felsenriff in Bälde zerschellen oder plötzlich untergehen wird. Wer sich allzusehr fürchtet, fällt aus dem Glauben, und was hat er dann? Der Glaube soll, wenn die Furcht kommt, nicht ermatten und einschlafen, sondern wie ein Löwe soll er aufstehen in seiner Furchtbarkeit, und seine Stimme hören lassen, damit offenbar werde, daß er des Hauses Herr ist, nicht die Furcht.

 Hieraus kommen wir auch leicht zur Klarheit, warum doch der liebevolle Heiland nicht erspart hat, in solche Drangsal zu kommen. Und aus der Antwort kann man überhaupt erkennen, warum oft Trübsal und Angst über die Menschen, auch über die Christen kommen muß. – Wären die Jünger nicht in diese Trübsal gekommen, so wäre ihnen nicht offenbar geworden, wie viel unversöhntes Gewissen in ihnen war. In guten Tagen vergißt der Mensch seine Sünden, und weil