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sie ihm leicht werden, und sein Gewissen schläft, meint er, sie seien auch leicht vor Gott. Wenn aber Leiden kommen, dann fragt man: Woher kommen sie? Und dann antwortet das Gewissen: „Das ist deiner Bosheit Schuld, daß du so gestäupet wirst!“ – Ferner: Solange die Jünger nicht in diese Anfechtung gekommen waren, hielten sie selber ihren Glauben für stark, und konnten es bei aller Prüfung nicht anders finden. Aber wenn Not kommt, dann zeigt sich, dann kommt hervor, was etwa an Unglauben sich in dem oder jenem Winkel des Herzens verborgen hat. Solche Nöte sind Segen von Gott, denn sich selbst und seinen Glauben kann ein redliches Gemüt zu günstigerer Stunde nicht prüfen und kennen lernen, als in der Prüfungsstunde. – Ferner: Wäre diese Not nicht gekommen, so hätten die Jünger auch nicht erkannt, wie viele Todesfurcht in ihnen war. Denn wenn sie nicht den Tod gefürchtet hatten, was sollen sie denn gefürchtet, wovor sollen sie denn gebebt haben? Das Grab in den Wellen war ihr Schreckenskönig. Brüder! Solange wir nicht in Todesnot sind, ist’s ein vergebliches Schwatzen: „Ich fürchte mich vor dem Sterben nicht!“ Es wird sich zeigen, wenn Not kommt. Der HErr verleihe uns, wenn der Tod anrückt, still und furchtlos zu sein, denn das steht allein in Seiner Hand!

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 Eins noch, Brüder! Wie kommt’s, daß, wenn die äußeren Stürme wüten, der Mensch so zaghaft ist, wenn aber Sündenstürme, wenn Versuchungen und Lockungen auf ihn einstürmen, ist er so gleichgültig. Und doch können jene Stürme nur dem Leibe schaden, während diese Stürme der Seele ewig Schaden bringen können! Was ist verloren, wenn der Leib verloren ist? Hingegen, was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele? (Matth. 16, 20) oder, was kann der Mensch geben, daß er seine Seele löse? (Mark. 8, 27). Wie thöricht ist es, vor dem kleineren Übel sich zu fürchten und gegen das größere gleichgültig sein! – Liebe Brüder! Die Versuchungen, welche oft wie Blumen duften, sind Strudel, welche uns verschlingen! Die Sünden, welche oft so schön geschmückt sind, es sind Teufelsklauen, uns ins Verderben zu reißen! Lasset uns aufwachen