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zu werden auf ewig – und wir werden herzu gezogen zu Ihm, statt weggestoßen, – eingeladen, statt von Seinem Angesichte verjagt, ER nimmt uns ein in Sein Reich, ER zählt uns zu Seinen Schafen, kleidet uns mit dem Rock der Gerechtigkeit – und nennt uns Seine Kinder – und wir sind’s, weil ER uns so nennt, weil ER uns auch einen kindlichen Geist verleiht, in welchem wir rufen: Abba, lieber Vater! – Je mehr wir im Christenlaufe fortgehen, je mehr wir die Sehkraft unsers innern Auges durch das Anschauen des einzig Unschuldigen stärken und schärfen, desto mehr Flecken und Sünden erkennen wir in uns selber, – ja, wenn selbst die Zahl der gröberen Sünden abnimmt, so nimmt doch die Zartheit unsers Gewissens zu, wir fühlen und empfinden Eine Sünde schwerer, als sonst viele, – unsre Buße, unsre Traurigkeit, unsre Sehnsucht, erlöst zu werden von dem Todesleibe wächst mit Macht, und wir möchten so gern den Tag schnell herbeiziehen, wo man über uns beides spricht: „Er ist gestorben“ und: „Er ist gerechtfertigt von Sünden“ (Röm. 6, 7). Und doch macht uns wieder diese Traurigkeit nicht unglücklich; können wir über uns selbst keine Freude haben, so wird uns desto mehr Freude geschenkt, wenn wir uns in Betrachtung der Gnade Gottes üben. Das Wasser des Lebens in unserer Brust wird zum Quell, welcher ins ewige Leben springt, – wir leben zwar nicht mehr in uns, aber in Ihm leben wir, ER ist unser Leben, Christus, – Christus lebt in uns. Jeder junge Morgen vereinigt uns mehr mit Ihm, unsre Liebe zu Ihm ist am Abend unter des Tages Last erstarkt. – ER und Seine Gnade sind und werden immer mehr unsre Speise, unsre alleinige Speise. Endlich achten wir Alles für Kot gegen der überschwänglichen Erkenntnis JEsu Christi und unsre Liebe zu Ihm, unsre Ruhe in Seiner Gnade, unser stilles Wohnen unter den Flügeln Seiner Verheißung erwächst zu jener männlichen Stärke, in welcher es nicht mehr so oft, wie sonst, von dem Wechsel unsrer Stimmungen und Launen abhängt: – wenn uns das Herz bricht, das Vertrauen bricht nicht, – wenn uns der Jammer überfällt, wie ein Gewappneter, der stille Glaube bleibt stehen, wie -