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daß auch der gesunkenste, verstockteste Sünder, der selbst mit aller Welt eins gewesen war, daß für ihn keine Hülfe mehr gefunden werden könnte, – da ihn nichts mehr rührte, von dem Geiste Gottes im Worte dermaßen angegriffen wurde, daß ihm das harte Herz in Reuethränen schmolz, und er durch das Evangelium vom Kreuze aus seiner tiefen Ohnmacht zu allem Guten von einer Stufe der Heiligung zu der andern gehoben wurde. Denn das Evangelium ist eine Kraft Gottes, selig zu machen die verlorenen Sünder. Laster, welche keine menschliche Weisheit beseitigen konnte, welche das ganze Leben und allen seinen Wandel im Innersten vergiftet hatten, wurden durch das Wort vom Kreuze nicht allein geoffenbart vor den Augen der Sünder selbst, sondern den erschrockenen Gewissen auch vergeben – und mit der Wurzel ausgerissen. Aus einem Saulus wurde oft schon ein Paulus, – aus einem Verleugner Simon ein Petrus, ein Hirte der Seelen, von felsenfestem Glauben, – aus einem zweifelmütigen Thomas ein Mann voll heiligen Geistes, der auf den Knieen betete zu dem, der die Wundenmale trägt: „Mein HErr und mein Gott!“ Das ist oft geschehen – und die bekehrten Sünder gingen dann vor den Augen der Welt umher als lebendige Beweise der wunderbaren Kräfte des heiligen Evangeliums. Die schärfsten Augen der erbostesten Weltkinder konnten an dergleichen bekehrten Sündern dennoch oft keine Bosheitssünde erkennen, aus der man ihnen hätte den gerechten Vorwurf machen können, sie seien keine aufrichtigen Diener des wunderbaren Königs!

 Liebe Seelen! Ist’s damit nicht genug bewiesen, daß das Kindlein JEsus mit Recht den Namen „Wunderbar“ trug? Ist’s wahr, daß die Zeit der Wunder vorüber ist, wenn doch all Augenblick und Stunden irgend an einem Teile der Welt durch Ihn geistliche Wunder geschehen? Ist Einer, der unserm wunderbaren Heiland vergleichbar wäre, – der, selbst ein Wunder und Zeichen vor den Augen der Sehenden, große Wunder thut und aus Bösem Gutes, aus Sündern Gläubige und reine Herzen macht durch Sein wunderbares Wort?