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alle Dinge bei Gott so beigelegt, daß eine Hölle, eine Verdammnis, eine ewige Gottverlassenheit nur für die noch übrig ist, welche an das Opfer des Menschensohnes sich nicht halten, sich nicht darauf verlassen, darüber sich nicht freuen mögen. – Liebe Brüder! Das ist die rechte Betrachtung der Leiden Christi, daß man jeden kleinen Zug aus demselben, jede Thräne, jeden Blutstropfen, jeden Seufzer als einen Beweis nimmt, daß der hochwürdige Hohepriester wirklich sich selbst zum Opfer hingiebt, – daß man mit heiliger Sorgsamkeit alles dessen achtet, was von Seinem Leiden und Sterben geschrieben steht – und Sein letztes Wort: „Es ist vollbracht, – Vater, ich befehle Meinen Geist in Deine Hände“ (Luk. 23, 46) – den Stich in Seine Seite als unüberwindliche Zeugnisse und Beweistümer anerkennt, daß mit Gott das erwünschte Opfer vollendet ist. Wenn man es so nimmt, dann giebt es wirklich keinen merkwürdigeren Gedenktag, als den Karfreitag, keine wichtigere Stunde, als die, in welcher der HErr Sein Auge schloß, die dritte des Karfreitagnachmittags. Denn da hat das Warten aller heiligen Patriarchen, aller frommen Seelen, die vor Ihm starben, seine Rechtfertigung und seine Erfüllung gefunden, nun ist gethan, was gethan werden sollte zur Seligkeit der Menschen, die letzte Zeit beginnt, das Evangelium wird gepredigt allen Völkern, und dann wird das Paradies hergestellt, und der Friede kommt wieder, der ursprünglich samt allen himmlischen Freuden die Erde umfangen hat, wie den Vogel das lichte Element. Das Opfer ist vollbracht, Christus ist ein Priester ohnegleichen, welchem die ganze Welt zu ewigem Danke verpflichtet ist. Wahrlich, nun sind alle Menschen aller Zeiten für Zeit und Ewigkeit ihrer Sünden los, und würdig wäre der ewige Hohepriester, daß ein Mensch den andern grüßte mit den Worten unseres Textes: „Wir haben einen großen Hohenpriester!“ würdig, daß alle Welt Ihn anbetete, denn ER ist Gott, würdig, daß man Ihm diente williglich im heiligen Schmuck!