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Jünger, für Seine Gläubigen besonders brünstig. ER ist allgegenwärtig mit Seinen Augen, bemerkt allen ihren Jammer, ihre Gefahren, ihre Nöte, ihre Thränen, ihre Seufzer. ER bittet nicht, daß ihnen der Kampf des Glaubens erspart werde, auch nicht, daß er ihnen kürzer zugemessen werde, sondern ER spricht: „Ich bitte nicht, daß Du sie von der Welt nehmest, sondern daß Du sie bewahrest vor dem Übel“, das ist, vor der Sünde, vor dem grauenhaften Unterliegen in der Versuchung. ER sieht ihre Schwachheit an und Seine Stärke, ER weiß, daß Seine Stärke sie erretten kann, aber auch, daß ihr schwacher Glaube sie nicht fassen will, darum bittet ER brünstig: „Heiliger Vater, behalte sie in Deinem Namen,“ daß sie in Gemeinschaft leben, miteinander beten, miteinander glauben, des Vaters Namen anrufen und Hülfe empfangen. ER weiß, daß kein Menschenwort heiligt, weiser und besser, seliger und fröhlicher macht, darum betet ER: „Heilige sie in Deiner Wahrheit, Dein Wort ist die Wahrheit.“ ER weiß vorher, wenn eins der Seinen in eine Sünde fällt, und läßt sie darum noch nicht fahren; ER spricht zu Petrus: „Der Satan hat dein begehrt – du wirst Mich dreimal verleugnen,“ aber ER setzt auch hinzu: „Ich habe für dich gebetet, daß dein Glaube nicht aufhöre, wenn du dich dermaleinst bekehrst, so stärke deine Brüder!“ ER ist treu, und während ER auf Erden keins aufgiebt, das einmal sein ward durch die Taufe, bevor es stirbt, während ER ohne Ende Hirtenliebe übt, übt ER im Himmel Hohenpriestertreue. Denn ER kennt unsere Schwachheit – und hat gelitten, daß wir einen mitleidigen Hohenpriester hätten. – O Verhüllter, Unbekannter, immer Treuer! Wahrlich, von Dir singt man: „Der beste Freund, der ist im Himmel!“ Wie ich mich sehne, außer dem Leibe zu wallen, daheim zu sein bei Dir, daß ich Dich sehe und meine Ewigkeit in Deiner vollkommenen Liebe und Deinem Lob vergehe!


V.

 ER betet endlich, liebe Seelen, allezeit. Viele unter uns beten noch nicht zu Ihm, noch nicht mit Ihm; aber ehe wir