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VIII.

 Nun hat sich der Prozeß zum Guten gewendet, und zu einer gnädigen Sentenz, zu einem gnädigen Urteilsspruch fehlt es nur an einem! Nämlich Gott der HErr kann in jenem Gerichte eben nach der Fürsprache Seines Sohnes noch sagen: „Wohl, mein Sohn! Du kannst keine Fehlbitte thun, Du hast eine ewige Erlösung funden, Du bist ein Heiland aller Menschen, Du hast für alle genug gethan; aber Du weißt auch, daß von Ewigkeit her Gottes Rat also gestaltet war, daß Dein Versühnen groß genug für alle Menschen sein sollte, aber nur denen wirklich zu gute kommen sollte, welche anerkennen, daß sie ohne Dich diesen Prozeß verloren hätten, daß nur Du ihn ausgefochten, nur Du sie errettet habest, welche in herzlichem Glauben all ihr Vertrauen nicht mehr auf die satanische Thorheit eigener Gerechtigkeit, sondern auf Dich allein setzen, Dir alle Ehre geben und für sich alles, was Du ihnen erworben und erbeten, nur als Gnade annehmen. Allen denen, die auf Dich ihr Vertrauen setzen, soll ein gnädiger Spruch geschehen, aber wer das nicht will, wer sich selbst helfen, wer nicht an Dir allein hangen, wer einen andern Weg einschlagen will, als über Golgatha, als über Dein Leiden und Sterben, der sei verloren und erprobe in der Hölle, was Du gelitten, wie schwer Gott über die Menschen zürne, wie schwer Seine Hand über sie komme!“ So ist Gottes Rat! Darum wird nun allen dieser Rat verkündigt, von demselben keiner ausgeschlossen, keinem Menschen ein anderer Ausweg gelassen; allen wird eine Thür aufgethan und gesprochen: „Also hat Gott die Welt geliebt etc.“ Wer nun glaubt, dem wird in dem Augenblicke dieses Glaubens die Sünde erlassen, die Strafe erlassen, die Gerechtigkeit Christi zugerechnet, das Gewissen gestillt, die ewige Beilage geschenkt, mit einem Worte: er ist gerechtfertigt, er ist freigesprochen, er hat den Prozeß gewonnen, seine Kläger haben verlorenes Spiel, und er geht mit seinem Anwalt, mit Christo in demütigem Triumph zu Seinem Vater und zu unserm Vater, und ist aus einem Feinde Gottes ein Kind Gottes geworden!