Seite:Wilhelm Löhe - Predigten für die festliche Hälfte des Kirchenjahres.pdf/313

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Hochmut, da der Mensch durch Buße und Almosen seine Sünde abzubüßen, das Versäumte nachholen zu können, aus eigner Kraft tugendhaft, ohne das Blut Christi gerecht zu werden glaubt, wie Heiden und Juden, ganz abgesehen von diesem Hochmut, den man am besten verschweigt, giebt es noch einen andern. Man nimmt nämlich zwar an, daß nur Christus für unsre Sünde genugthun, nur ER das Gesetz erfüllen konnte, daß ER Vergebung, Friede, Gerechtigkeit, Freude im heiligen Geist allein erwarten konnte, aber diese Güter des Heils zueignen, sich damit reinwaschen oder, was eins und dasselbe ist, durch herzlichen Glauben sich selbst und seine Seele damit stillen, das meint jeder selbst zu können. Viele hören das Wort von der allgemeinen Sündhaftigkeit und von dem einzigen Befreiungsmittel von derselben, das Wort von Buße und Glauben, und im Hui sind sie ihm beigefallen und reden ihm wieder das Wort, und, weil sie mit dem Munde es zugeben, bilden sie sich ein, sie hätten es ergriffen und geglaubt. Ehe sie es noch recht gehört haben, haben sie es schon aufgenommen, und ehe sie es verstanden haben, sind sie davon überzeugt, und ehe der Wind geblasen hat, triefen sie schon von der Morgenluft des Glaubens: sie rühmen sich, als seien sie mitten inne; sie sagen sich vor, wie’s gemeint ist. Alle Tage arbeiten sie, es fest zu halten, sie wollen sich es recht fest erglauben und bedenken nicht, daß im Leibe zwar arbeiten nützt, aber im Geiste niemand mit Laufen zum Ziele kommt. Ach, wie viele bringen es mit solcher blinden Mühe endlich dahin, daß sie wirklich meinen, sie hätten festen Glauben, und ist nichts weniger der Fall, als gerade dies. Kommt dann Sonnenhitze, gilt es, für seinen Glauben etwas zu leiden oder etwas zu entbehren, etwas aufzuopfern, so findet sich, daß ihr Glaube eine gemalte Quelle war, und gemalte Quellen, wenn sie auch allen Zauber der Darstellung hätten, sind doch dem Durstigen ein Greuel. Ja, der eingebildete Glaube, den der Mensch sich selbst angeschafft, ausgedacht, zugeeignet hat, der ist nichts, der bleibt vor der Trübsal nicht länger als der Schnee vor der Sonne.

.

 Es kann sich eben niemand den Glauben nehmen, er werde