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geworden ein Fluch für uns“. Wenn ihr aber in Christi Leid Gottes Urteil über uns erkennet, warum wollt ihr denn in das Geschwätz der Welt einstimmen, welche mit Blindheit geschlagen ist, und den Geist der Erkenntnis nicht empfängt? Und dann, ist’s denn so gar ein schwerer Kummer, sich als ein fluchwerter Sünder zu erkennen, giebt’s denn für die Schmerzen der Buße keine Linderung, muß man denn in ihrem Schmerz hängen bleiben, hat denn Christus etwa bloß so sehr gelitten, damit ER uns zeigte, was wir in der Ewigkeit leiden müßten? Ist ER nicht ein Fluch für uns geworden, auf daß der Segen Abrahams unter uns käme, hat Ihn nicht Gott darum sogar zur Sünde gemacht, auf daß wir würden in Ihm die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt? Ist nicht eben dasselbe Leiden, dadurch wir unser Verdienst und unsern Fluch erkennen, auch die Ursache unserer ewigen Seligkeit, die Gewißheit der ewigen Seligkeit, der unwidersprechliche Beweis der Liebe Gottes zu uns, die wir nicht fassen können, die uns zu hoch ist. Steht nicht über Seinem Leiden: „Also hat Gott die Welt geliebt, daß er Seinen eingebornen Sohn gab, auf daß alle, die an Ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben“? und wenn eure Prediger euch in JEsu Leid zeigen, was ihr verdient, und euch sagen: „Eure Sünden haben Ihn geschlagen“ setzen sie nicht dazu: „Aber eben mit Erduldung eurer Schläge hat ER euch von euren Sünden errettet, eben in Seinem Leid ist eure Gnadenwahl?“

 Ist nicht der Johannes, welcher Buße predigt und des Volkes Verdammniswürdigkeit offenbart, derselbe, der auch mehr als einmal mit Lust und Freude ruft: „Dieser ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt“? O darum, darum gebt euch lieber in die Bußpredigt, ergebt euch in die Buße, damit ihr dadurch die Freude des Glaubens erfahret, denn es hat noch keinen gereut, der durch Buße zum Glauben drang, und es ist eine Sache, welche, wer Erfahrung davon hat, bis in den Tod versucht, daß mitten in einer leidenvollen Welt die glücklich sind, welche durch Buße zum Glauben, durch Glauben zum Frieden hindurchgedrungen sind und durchs Gesetz dem Gesetz gestorben, im Evangelium lebendig geworden sind für die Ewigkeit!