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III.

 Wenn es nun aber mit der Gesetzespredigt so gemeint ist, warum sind doch so viele Menschen gegen dieselbe? warum wenden sich so viele mit Haß, mit Erbitterung von den Predigern des Evangeliums weg? warum erkennen sie denn die Liebe Gottes und der treuen Prediger Seines Wortes nicht? warum geht da mancher aus der Kirche und spricht: „Da herein, zu diesem Geistlichen komme ich nicht wieder“, warum eilt er da hinweg, wo Gottes Gnadenwille auch an ihm in Erfüllung gehen könnte wie an tausend andern? warum sind auch unter euch schon so manche, welche sich gegen die Predigt des Evangeliums stellen und mit Schimpf und Hohn dem frommen Gotte lohnen, der nur ihre Seele und Seligkeit zu bereiten sucht?

 Darüber, teure Seelen, höret noch wenige Worte:

 1. Sehr vielen fehlt es leider an den nötigen Geistesgaben oder an dem aufgelegten Willen, eine Predigt ohne Vorurteil, mit heißem Hunger nach Wahrheit anzuhören, sie sind gleich müde, von geistlichen Dingen zu hören, und weil im ersten Teile der Predigten nach der Ordnung des göttlichen Wortes meistens das Gesetz, im zweiten das Evangelium waltet, so haben sie die Predigt so satt schon im ersten Teile, daß sie beim zweiten Teile nicht mehr aufmerken, da hören sie denn bloß den Teil, der vom Gesetz handelt, und den, der von dem ewigen Heile handelt, der vom Gesetz zum Evangelium leitet, überhören sie. Ist dann die Predigt zu Ende, so wissen sie vom Evangelium nichts mehr, und schimpfen dann über den Prediger des Gesetzes, dessen Absicht sie nicht kennen. Andere hören überhaupt keine Predigt im Zusammenhange, sondern sie merken bloß einen Satz oder zwei, und am liebsten solche, welche von dem Gesetz genommen sind.

 2. Andere, wenn sie im ersten Teile der Predigt hören, daß alle Menschen Sünder seien, können das von sich selber nicht glauben, weil sie blind sind gegen ihre Fehler. Sie sind nicht so redlich, daß sie sich aufrichtig von ihrem Thun und Lassen Rechenschaft geben könnten, sich anzuschuldigen alles, was sie thun und lassen, sie sehen an sich selbst nichts als Gutes, und wenn ihnen dann aus Gottes Wort das Gegenteil