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nahe kommen, einer über des andern Grenze nicht mehr kommen wollte. Damit war nun freilich Jakob von seinen vorigen Freunden geschieden; aber dafür nahmen ihn die seligen Geister in ihre Mitte auf. Engelheere wurden ihm befreundet und zogen mit ihm zum Schutz wider alle Feinde. So ist’s mit einem Menschen, der sich bekehrt: er kann freilich mit den Leuten dieser Welt, auch mit denen unter ihnen, welche er am meisten liebt, nicht in Freundschaft bleiben, ja, es kann kommen, daß er von Schwäher und Schwieger, von Vater und Mutter sich scheiden muß, um in die Ruhe des himmlischen Heimatlandes einzugehen und die Taufgnade wieder zu erlangen: er muß vielleicht den sauern, herzbrechenden Schritt thun, daß er mit seinen bisherigen, liebsten Freunden ausmachen muß, sie wollen keinen Umgang miteinander weiter haben, einander nicht nahe kommen, eine Sache, welche, sonst unerträglich für ein liebevolles Herz, unter solchen Umständen noch den leidlichsten Frieden gebiert. Dadurch scheint ein Mensch völlig zu verwaisen und zu verarmen; aber er gebe sich nur darein, es ist sein Schade nicht, denn er kommt zu dem Berge Zion und zu der Menge vieler tausend Engel, die Bewohner des Himmels freuen sich über seine Buße, ziehen ihm entgegen, lagern sich um ihn auf allen seinen Wegen, und was er verlassen, hat er hundertfältig gewonnen. Einen Haufen weltlich gesinnter, an der Erde klebender Freunde verläßt er, Gottes Heere gewinnt er; die Welt verläßt er, der Himmel wird sein, staunend findet er, daß es ein großer Gewinn ist, wer gottselig ist, und ihm wird die Erde ein Mahanaim, eine Vorhalle des Himmelreichs.


II.

 Als Jakob hinter Mahanaim zog und den Grenzen seines Heimatlandes nahe kam, wachten die Erinnerungen der in demselben verlebten Jugendtage immer mehr auf. Es waren aber diese Erinnerungen keine freundlichen, es waren Erinnerungen an schwere Sünden; denn er hatte durch Betrug seinen Bruder Esau um das Recht der Erstgeburt und um den väterlichen Segen gebracht, und sein Bruder Esau wurde