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Kühe und zehn Farren, zwanzig Eselinnen mit zehn Füllen. Diese verteilte er unter verschiedene Hirten, die Ziegenherde übergab er im besonderen, die Schafherde etc., zwischen jeder Herde ließ er Raum, damit sie Esau nicht auf einmal begegnen möchten. Jedem Hirten gab er dieselbe Antwort ein: „Es gehört“, mußte ein jeder antworten, „es gehört deinem Knecht Jakob zu, der sendet Geschenk seinem Herrn Esau und zeucht hinter uns hernach!“ Er nannte in dieser Antwort Esau seinen Herrn und sich einen Knecht, kurz, er that nicht hochmütig, sondern demütig, und war der Meinung, wenn Esau so viele unerwartete Geschenke nacheinander kommen sähe, wenn immer ein Hirt, wie der andere reden würde, so würde Esau selbst auch demütig oder wenigstens erweicht werden, wenn auch nicht beim ersten Geschenk, doch nach und nach durch die vielen Geschenke, zwischen denen Raum und Zeit gelassen war, anderes Sinnes zu werden. So, glaubte er, würde er Esaus Angesicht am ersten gegen sich erheitern.

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 Die Klugheit, welche hier Jakob bewies, ist dieselbe, welche Zachäus bewies, da Christus bei ihm einkehrte. Denn Zachäus sagte auch, er gebe zehnfach wieder, was er gestohlen habe, und die Hälfte seines Vermögens den Armen. Beide, sowohl Jakob, als Zachäus bewiesen damit, daß ihnen ihre Sünden leid waren und ihre Geschenke, ihr Bekenntnis, ihre Demütigung waren rechtschaffene Früchte der Buße. Wenn ein Mensch, der mit manchem Unrecht sich ein Vermögen erworben hat, vorgäbe, er bekehre sich nun, wenn er alle Kirchen besuchte, alles, was weltlich ist, meide, er gäbe aber nicht wieder, was er gestohlen oder unter dem Schein des Rechts an sich gebracht hat, so wäre er ein Heuchler, der nur andre betrügen wollte, oder im besten oder vielmehr schlimmsten Fall ein Gleisner, der sich und andere betrügt. Eines Diebes Bekehrung besteht nicht im Kirchengehen und Weltentsagen, sondern daß er zurückgebe, was von unrechtem Gut an seinem Finger klebt, daß er nicht mehr stehle, sondern arbeite und schaffe mit den Händen etwas Gutes, auf daß er habe zu geben den Dürftigen. Wer das thut, der hat eine feine Klugheit. Jakob sucht durch seine Gaben Frieden mit Esau. Und wahrlich, wenn man Frieden