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vom alten Menschen an sich, daß sie Gott die Ehre, sich selbst ein Mittel, zur Seligkeit und Heiligung zu gelangen, rauben. Ja, viele bezahlen den Höchsten für Seine Wohlthaten mit Sünden, das ist, mit größtem Undank. Daher kommt es, daß die Tage, welche dem HErrn geheiligt sind von Seiner Kirche, von der Welt zu den verfluchtesten Tagen gemacht werden. Die Welt dankt Gott seltsam, sie feiert die Feste mit den Kindern Gottes, aber eine Feier hat sie, wie die Heiden ihren Götzen brachten! Arme, bejammernswerte Welt! Ja, obgleich heute Pfingsten ist, obgleich allüberall in diesen Tagen Lärm und Geschrei entstehen wird, die Stimme des Dankes fehlt, ist klein und matt!

 Wollt denn ihr, meine Lieben, selten thun, was zu Gottes Ehren und zu eurer Seligkeit gereicht? Wollt ihr, so viele Gaben des heiligen Geistes empfangend, wenn ihr nur möget, so undankbar gegen Gott sein, so thöricht verblendet gegen eure eigene Seligkeit und Vollkommenheit? Das will ich nicht hoffen, sondern ich vermahne euch allen Ernstes: „Danket dem HErrn, daß ER so freundlich ist und Seine Barmherzigkeit ewig währt!“

 Solltet ihr des vergessen, welcher spricht: „Ich will Wasser gießen auf die Durstigen!“[1] welcher Seinen heiligen Geist wie Wasser über uns ausgießt? Des, der um euer Andenken wirbt, der zärtlich spricht: „Israel, vergiß Mein nicht! Ich tilge deine Missethat, wie eine Wolke, und deine Sünde, wie den Nebel!“[2] – Da der barmherzige Gott heute noch Seinen heiligen Geist über uns auszugießen bereit ist und auch ausgießt, den Geist, ohne welchen wir nicht zur ewigen Seligkeit kommen können, sollten wir da nicht danken? Habe ich nicht Ursache, zu behaupten, daß Pfingsten und das Dankgebet zusammengehören? Wir ernten ja von den reichen Gütern des Hauses Gottes. Liebet den Geber für Seine Gaben, denn Seine Barmherzigkeit währet für und für! Viele erkennen es, die es vorzumal nicht kannten, viele, die


  1. Jes. 43, 23.
  2. Jes. 44, 21. 22.