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Frühlingswinde wehen und das Fest des heiligen Geistes herankommen wird.

 1. a) Die gegenseitige Liebe des Vaters und des Sohnes ist eine verborgene. Ehe die Welt war, liebten Vater und Sohn. Niemand hat diese Liebe je gesehen, auch da die Welt erschaffen war. Kein Mensch kann sich diese Liebe auch nur denken, sie ist uns zu wunderlich und zu hoch. Sie ist uns verborgen – denn sie ist in einem Lichte, dahin niemand kommen kann.

 b) Diese verborgene Liebe des Vaters ist ein wenig abgeschattet, wenn die Schrift JEsum Christum den eingeborenen Sohn Gottes nennt. Er hat nur einen, wie diesen: dieser ist aus Seinem eigenen Wesen von aller Ewigkeit geboren – alle andern Söhne, die es im Himmel und auf Erden giebt, sind nur Bilder des Eingeborenen, zur Verherrlichung Seines süßen Vaternamens und zur Verherrlichung des Eingeborenen selbst geschaffen. Wer etwa unter euch ein einziges frommes Kind hat, der denke an seine Liebe zu diesem Kinde; mit welcher Freude nennt er den Namen des Kindes – und wenn er dies Kind glücklich sieht, – oder umgekehrt, wenn er’s muß sterben sehen, wie faßt er alle Freude, wie allen Schmerz in den Ausruf zusammen: „Es ist mein Einziger!“ O die ihr wisset, was das ist, – denkt, daß eure Liebe nur ein Funke von jener Liebe ist, welche der Vater zu dem Sohn hat. Ihr könnet an euren Kindern irre werden, – was sind eure Kinder gegen den Sohn Gottes – und eure Liebe, wie oft ist sie unrein! Aber jener Vater ist die Liebe – jener Sohn ist die Liebe – wie muß Liebe und Liebe sich lieben – was muß das sein, wenn Gott spricht: „Dies ist mein Einziger, mein Eingeborner!“

 c) Die verborgene Liebe des Sohnes zum Vater liegt ebenfalls in dem Namen „eingeboren“. Der große Gott hat Einen Sohn von Ewigkeit in unaussprechlicher Liebe umfangen: sollte der Eingeborene den Einen nicht lieben, der Ihn geboren hat? Wen sollte ER denn lieben? Es war ja von Ewigkeit und vor der Welt Schöpfung nur Einer außer Ihm selbst, der Vater: – nach der Welt Schöpfung liebt Ihn niemand, als der Vater