Seite:Wilhelm Löhe - Predigten für die festliche Hälfte des Kirchenjahres.pdf/82

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– wer davon trinkt, der kann auffahren mit Adlersflügeln. – Brüder! Ich glaube, es muß die Möglichkeit und Nähe der Hülfe in unsern Tagen auf das stärkste hervorgehoben, Christus alles Ernstes gepredigt, das Wort von der Versöhnung nicht gespart werden. Denn es giebt in unsern Tagen viel verborgene Verzweiflung, – viele Gewissen bluten, aber weil das Evangelium nicht laut genug gepredigt wird nach so langer Verdunkelung, so getrauen die mühseligen und beladenen Seelen sich nicht, ihre Not zu bekennen. – Darum sage ich denen, welche unter diese genannte Klasse von Menschen gehören, – laut und mächtig möchte ich’s sagen, daß Christus gesetzt ist zur Auferstehung vieler in Israel. Sünder, der du weinend zu Füßen des Kreuzes liegst und nicht weißt, wie Ruhe zu gewinnen ist – sieh auf in dies Angesicht des sterbenden Königs; es sagt dir: „Ich gebe mein Leben zur Erlösung für viele!“ Sieh Ihn vertrauensvoll an, so wird dein wundes Gewissen sich an Ihn lieblich anranken, wie Epheu an den Fels, und wird dir nicht mehr allein von deiner Schuld, sondern auch, und zwar insbesondere, von deinem Erlöser Zeugnis geben. Faß ein Herz zu Ihm, o du, der du nicht mehr wagst, vor Menschen aufzusehen; ER ist deine Auferstehung! Warum willst du liegen bleiben in deinen Sünden, in deiner Sündenqual? Hörst du nicht die Stimme Gottes und Seines Sohnes, welche dir Vergebung und ein neues Leben im heiligen Geiste verheißt? Richte dein Haupt auf: dein Erlöser, deine Erlösung ist nahe – die unendliche Liebe des vergebenden Heilands umfaßt dich! Wenn ER Vergebung spricht, und die Freudenthränen quellen, da richten sich alle Kräfte und Anlagen des Menschen, welche, von Sünden niedergedrückt, nicht sprossen noch blühen konnten – sie richten sich auf vom Tode, sie werden grün und fruchtbar – wie das welke, sonnenverbrannte Gewächs nach erquickendem Regen. Wer sein Gewissen am Felsen JEsus aufrichten läßt, den durchdringt ganz und gar ein neues Leben des Felsens JEsu. Ja, es scheint ihm alles, was er um sich sieht, in anderes Leben gekommen zu sein. Er sieht alles mit andern Augen an – man sieht am Himmel und auf Erden,