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Am Neujahrstage.
(Merkendorf 1837.)


Luk. 2, 21. Und da acht Tage um waren, daß das Kind beschnitten würde, da ward Sein Name genannt JEsus, welcher genannt war von dem Engel, ehe denn ER in Mutterleibe empfangen ward.

 Über das euch soeben vorgelesene Evangelium predigen scheint leicht und kurz. Aber wenn man es ganz auslegen sollte, so wäre es weder leicht noch kurz, und am wenigsten leicht, wenn es zugleich kurz sein sollte. Denn obgleich der ganze Text nur aus einem einzigen Verse besteht, so steht doch in demselben als das Hauptwort, in dessen Kraft und Bedeutung man eingehen muß, der Name JEsus, – und dann die Beschneidung JEsu; beides aber sind Gegenstände, über die man eher Bücher schreiben, als kurze Predigten halten kann. Ich will darum einmal nur von der Beschneidung predigen.

 Es ist sonst gewöhnlich, daß man das neue Jahr mit Wünschen anfängt, auch hier auf der Kanzel. Allein fürs erste hat die Kirche an dem neuen Jahr der Welt eigentlich gar keinen Teil, weil ihr Neujahr mit Advent beginnt, – und was das Wünschen anlangt, so ist’s damit so eine Sache. Die besten Wünsche hört der Mensch nicht gern, er will sich immer nur wünschen lassen, was er sich selbst wünscht; und was der Mensch sich selbst wünscht, ist gewöhnlich unverständig, und wäre sein größtes Unheil, wenn es hinausginge. Ein Vater sagte einmal zu seinem Sohne: „Mein Sohn, was ich dir wünsche, magst du nicht, – was du dir wünschest, darf ich dir nicht wünschen, – ich wünsche dir also, was Gott