Seite:Wilhelm Löhe - Sieben Predigten in Nürnberg zu St. Aegydien (2. Auflage).pdf/30

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d. i. Heuchler ohne es zu merken. Die Heuchler sind nicht so gefährlich als die Gleißner: den Heuchlern ist’s so gar hoher Ernst nicht mit ihrer Heuchelei, sie verrathen sich öfter. Aber die Gleißner sind ganz darauf aus, Schafe zu scheinen; ja, so viel sie sich selbst erkennen, ist es ihnen auch Ernst, zu seyn, was sie scheinen. Es ist aber Nichts mit ihnen bei allem Schein: ihr Christenthum paßt zu ihrem inwendigen Menschen wie ein neuer Lappen zum alten Kleid: das, was in Christo Jesu alleine gilt, die neue Creatur, ist in ihnen nicht geboren. Es hat sich blos ihr alter Mensch bekehrt, ohne daß ein neuer da ist. Sie haben die Kraft Gottes nie erfahren, welche allerdings aus Steinen und Gleißnern Gotteskinder, aus Wölfen Schafe machen kann. Ein fürchterlicher Betrug ist in ihnen: selbstbetrogen betrügen sie andre. Mit Einem Worte: sie sind selbstgerechte, scheinheilige Frömmler. – Was vor Menschenaugen recht ist, thun sie, wissen sich viel damit und sind stolz. Haben sie ja einmal eine Sünde vor andern eingestanden, so bleibt ihnen tief innen die stille, stolze Freude, daß sie demüthig gewesen – und eben damit vor der Gemeinde größer geworden seyen, als hätten sie nicht gesündigt. Wenn ihr Gewissen sie schlägt, wie ein Cherub, mit hauendem Schwert, so pflegen sie inwendig oft die geheime Hoffnung, daß wohl gar ihr Name bei Gott besser angeschrieben ist, als bei ihnen selbst, daß der Allerheiligste sich ihrer Demuth freue. Diese Art kann im Amte treu seyn bis zu einem gewissen Punkte, dem Ehrenpunkte: wer ihnen da wohl thut und schmeichelt, hat Simson’s Locken gestohlen und kann mit ihm machen, was er will: – wer ihnen da weh thut, hat den Wolf gereizt, daß er in angebornem Grimm seinen Schafpelz fallen läßt!

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 3. Wenn man nun dem äußern Schein bei keinem Menschen trauen darf, wenn es dahin gekommen ist, daß ein reines und aufrichtiges Herz behutsam und langsam im Vertrauen seyn muß, daß solches Mißtrauen und solche