Seite:Wilhelm Löhe - Sieben Predigten in Nürnberg zu St. Aegydien (2. Auflage).pdf/32

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für seinen Lebensberuf hält, den zu erreichen er keine Entsagung, keinen Kampf mit sich oder andern, keinen Zorn der Welt und des Teufels scheut: wenn irgend einer, durchdrungen von Abscheu vor aller Sünde, voll heiliger Liebe zu Jesu Christo, der Welt stirbt, Christo lebt und in sein Bild verklärt zu werden strebt; – wenn er von Jesu Christi Geist besucht, Seiner Gnadengüter voll, unter der Zahl der Gottverlobten steht, in Jesu Seines Lebens Frieden, in Ihm die Seligkeit seiner Ewigkeit erkennt: – wenn er Jesu Schmach nicht scheut und die Demüthigung mit Willigkeit, ja im Fortgang seines innern Lebens mit Dank gegen Gott aufnimmt: – wenn er bei aller Treue der Pflichterfüllung den Sinn des Täufers hat und bewahrt, der geruhig sprach: „Er muß zunehmen, ich muß abnehmen!“ – wenn er von Lob nicht eitel, von Gleichgültigkeit und Haß nicht aus der Ruhe gebracht, mit St. Paulo still durch gute und böse Gerichte geht, verzeiht und segnet, eines menschlichen Tages Urtheil Nichts achtet und sich an Gottes Gnade genügen läßt, andern alles Gute gönnt, selbst jedes Uebel aus der Hand des Herrn auch als gut aufnimmt: – – wenn einer so thut, dann ist er ein treuer Lehrer, ein guter Baum. – Seine Früchte werden erkannt werden am Tag der Garben, wenn er auch hier Nichts geachtet ist und klein scheint im Reich des Herrn. Er ist eine Rose auf dem Berg oder im Thal, die Niemand findet, die Gotte blüht, duftet und welkt: der Wind weht über sie, ihre Stätte kennt sie nicht mehr, sie wird vergessen von denen, die ihrer nicht werth waren; aber der Herr kennt die Seinen.

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 4. Ihr könntet fragen: „Darf man denn aber so gewiß von der Frucht auf die Beschaffenheit des Baums, von dem unbescholtenen Wandel eines Lehrers auf seine Treue schließen? Wird man nicht oft falsch urtheilen? Antwort: Es ist wohl möglich, daß du nicht zu urtheilen