Seite:Wilhelm Löhe - Sieben Predigten in Nürnberg zu St. Aegydien (2. Auflage).pdf/62

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Gnadenkräfte weben hin und her, zwischen Prediger und Hörern! Lege Ehre ein mit Deinem Worte, und laß Dir aus demselben heute und von heute an fort und fort Deine Kinder geboren werden, wie Thau aus der Morgenröthe! Amen.




Jerem. 3, 12.
Kehre wieder, du abtrünnige Israel! spricht der Herr.

 Aus diesem Texte will ich nun, so mir Gott hilft, von einer in unsern Tagen nothwendigen und sehr wohl möglichen Reformation predigen.

 Freilich wird es manchem seltsam vorkommen, daß ich für ein solches Thema diesen Text gewählt habe. Aber meiner Meinung nach paßt dieser Text allerdings, und habe ich zu meinem Thema gar keinen passendern finden können. Vielleicht gelingt es, auch euch davon zu überzeugen. Gott erbarme sich euer und meiner. Amen!

 1. Nichts paßt besser zusammen, als das Wort Reformation und unser Text: „Kehre wieder!“ denn die Reformation war eine Wiederkehr – und so lange die Welt steht, kann eine rechte Reformation auch nichts anderes seyn, als eine Wiederkehr, eine Rückkehr. Selbst das lateinische Wort Reformation sagt im Grunde nichts anderes aus. Freilich ist das Wort Rückkehr vielen sehr verhaßt: die Wörter „vorwärts“, „Fortschritt“ sind in unserer Zeit beliebter, ein Jeder sucht das Heil im Fortschreiten und in der Zukunft. In der That und Wahrheit aber liegt das Heil in einer Rückkehr. Man muß nur nicht gerade an eine Rückkehr zu alter, überstandener Thorheit, zu abgelebtem Aberglauben denken. Von einer solchen ist keine Rede, überhaupt nicht von einer Rückkehr zu irgend etwas Menschlichem; sondern eben zu dem, zu welchem der Prophet Jeremias sein Volk gerne zurückgeführt hätte, wenn er sprach: „Kehre wieder, Israel!“.