Seite:Wilhelm Löhe - Sieben Predigten in Nürnberg zu St. Aegydien (2. Auflage).pdf/68

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ist’s unter den Kindern geworden, deren Väter vor Jammer fast in die Erde gesunken wären, wenn man ihnen das vorausgesagt hätte! Wenn Luther aufstände von den Todten und den Unglauben sähe, der in der evangelischen Kirche eingerissen ist, welche der Herr einst durch seinen Dienst auf’s neue aufgerichtet hatte: ich glaube, er würde eine Geißel, nicht aus Stricken, aber aus Gottes Worten flechten, und die Sünde und Abweichung des deutschen Volkes schlagen, daß der Schall davon bis jenseits deutscher Grenzen gehört würde! Nun aber ist sein Grab stumm und unser Elend ihm verborgen. Aber der Herr im Himmel sieht es, der da spricht, Jer. 2, 12. 13.: „Sollte sich doch der Himmel davor entsetzen, erschrecken und sehr erbeben. Mein Volk thut eine zwiefache Sünde: mich, die lebendige Quelle, verlassen sie und machen ihnen hie und da ausgehauene Brunnen, die doch löchericht sind, und kein Wasser geben.“

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 Und ich sollte Unrecht haben, wenn ich behaupte, es sey eine Rückkehr zu Gottes Wort und Reformation nöthig? Freilich nicht eine Reformation der Lehre; denn reiner ist keine Lehre nach der heiligen Schrift, als die der evangelisch-lutherischen Kirche in ihren Bekenntnißschriften; aber eine Rückkehr und Reform der Herzen zu der Wahrheit dieser Lehre und des Wortes Gottes. Ja, es ist nothwendig, daß man zurückkehre mit Herz und Leben zu Gottes Wort: Lehrer und Schüler, Prediger und Zuhörer allzumal sollten sich aufmachen, die lebendige Quelle wieder zu suchen. Denn was das Ende davon ist, wenn Gottes Wort verlassen wird, welche Folgen es bringt, das wird von Tag zu Tag offenbarer. Es hat auch hieher das Wort eine Bedeutung: „Er trägt alle Dinge mit Seinem kräftigen Wort.“ Wenn Gottes Wort nicht mehr die Herzen, das Leben und Weben und alle Verhältnisse durchdringt und trägt, dann fällt Alles dahin, wie ein Leichnam, wenn ihm die Seele entflohen ist. Seitdem Gottes