Seite:Wilhelm Löhe - Sieben Predigten in Nürnberg zu St. Aegydien (2. Auflage).pdf/75

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berührt werde, kann nur ein verhärtetes Herz oder ein solches, welches selbst noch keine Erfahrung von dergleichen Leiden hätte. Gleichwie ein Vater über seinen Sohn keine Freude haben könnte, sondern über ihn jammern müßte, wenn derselbe unter seiner züchtigenden Hand keine Thräne mehr vergösse, sondern hart und stumm bliebe, so kann auch der himmlische Vater die nicht wohlgefällig anschauen, welche seine Züchtigungen kalt und steif dahin nehmen. Viel schöner ist Hiob’s Beispiel, welcher beim Verluste seiner Kinder vor Kummer sein Kleid zerriß und sein Haupt raufte, aber in seinem großen Leide dennoch gottergeben ausrief: „Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen, der Name des Herrn sey gelobet!“ (Hiob 1, 21.) – So reicht auch unsere Epistel Trost – nicht in der Meinung, den Schmerz völlig wegzunehmen, sondern auf daß die Christen, wenn auch traurig, doch nicht so traurig seyen, „wie die andern, die keine Hoffnung haben.“

 2. Indem wir aber hier vom Troste weiter reden wollen, müssen wir zuvor wohl unterscheiden, was wahrer und was falscher Trost ist.

 In der Welt ist kein wahrer Trost, nur die heilige Kirche hat Trost. Die Kinder der Welt sind es, auf welche der Apostel deutet, wenn er „von den andern redet, die keine Hoffnung haben“, für welche daher auch kein wahrer Trost vorhanden seyn kann. Lieben Brüder! Man wirft den treuen Dienern der Kirche oft vor, daß ihre Religion nur in dunkeln Gefühlen bestehe. Es liegt uns hier gar nicht daran, diese leere und unverständige Beschuldigung zu widerlegen. Doch weisen wir auf die Art hin, wie die Welt ihre Kinder an Sterbebetten und Gräbern tröstet, und fragen keck: „Besteht ihr Trost in mehr, als in Worten und in Erregung dunkler, ungewisser Gefühle, welche das Herz nicht stillen, den Schmerz nicht mindern, sondern nur sind, wie das sanfte Streicheln