Seite:Wilhelm Löhe - Sieben Predigten in Nürnberg zu St. Aegydien (2. Auflage).pdf/90

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gehe, was Ps. 45, 14. gesagt ist: „Des Königs Tochter ist ganz herrlich inwendig!“

 Zugleich, meine Theuern, beginnen wir mit dem heutigen Sonntage die schöne Vorbereitungszeit auf das Geburtsfest unsers Lebens, das ist: Jesu Christi. Während das Leben der sichtbaren Schöpfung erbleicht und erkaltet, thun sich im Gnadenreich, in der Kirche, die Fenster des Himmels auf, und der Aufgang aus der Höhe erscheint: die Bäche heiliger Freude thauen auf und fangen reichlich an zu fließen, wenn die Freuden der Natur versiegen. – Wir feiern die Zukunft des Herrn in der Adventszeit, und zwar ist es eine vierfache Zukunft, durch deren Gedächtniß wir uns auf den Gedächtnißtag einer fünften, nämlich der Zukunft Gottes in’s Fleisch bereiten. Am ersten Advent feiern wir die Ankunft Jesu in Jerusalem zu Seinem Leiden, am zweiten Seine Ankunft zum Gericht, am dritten Seine Ankunft zur Erleuchtung der Welt, am vierten Seine Ankunft in’s Herz der Seinen.

 Unser heutiges Evangelium also handelt von Jesu Ankunft in Jerusalem zu seinem Leiden. Es paßt sehr wohl, beides zur Feier des kirchlichen Neujahrs, wie zur Vorbereitungsfeier des Weihnachtfestes. Ursprünglich war es das Evangelium des Palmsonntags, und bereitete auf Ostern vor. An Ostern fing man ehedem das Neujahr der Kirche an, und als man später dies Neujahr auf den ersten Advent-Sonntag verlegte, nahm man das schöne Evangelium als besonders passend mit herüber. Mit Recht, denn der leidende Christus ist der Grund, worauf die Kirche gegründet ist, der von der Welt verachtete, von Gott geehrte Grund und Eckstein. Und einen andern Grund kann Niemand legen, als den, der gelegt ist, – Jesus Christus, der Gekreuzigte. Ihm gebührt Hosianna d. i. „Glück zu!“ Ihm Neujahrwunsch und Anbetung! – So bereitet unser Evangelium auch schön auf Weihnachten vor. Denn, sagt mir, lieben Brüder, warum freut man sich denn gerade