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niemand kann es nachsagen, und warum? Weil die Lebens- und Sterbensaufgabe und das Gewißen JEsu einzig ist, weil der nächste Sinn der Worte JEsu auf keinen anderen Menschen eine Anwendung leidet. Laß alle Heiligen Gottes in der ganzen Welt am Ende ihres Lebens Christo nachrufen: „Es ist vollbracht“; sie dürfens, sie mögens thun, aber sie mögen dabei ihre Hände, die an kein Kreuz geschlagen sind, brauchen und damit an ihre Brust schlagen; denn sie müßen das Wort in der tiefsten Demuth armer Sünder und Gnadenkinder sprechen, so daß es im wahren Sinne nur eine Lobpreisung des HErrn JEsus, des einzigen Vollbringers, wird, und sie damit kund geben, wie bei ihnen von einem Vollbringen, von einer Todesfreudigkeit und einem guten Gewißen nur die Rede sein kann, weil der HErr am Kreuz vollbracht hat. –

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 Sind wir nun aber auf diese Weise eine verkehrte Auffaßung des göttlichen Wortes los geworden, und im allgemeinen auf den rechten Weg gewiesen, so ist damit unsere Ueberlegung doch noch nicht geschloßen, sondern wir müßen sie noch eine Weile fortsetzen. Zuerst kann es uns nemlich auffallen, daß Johannes sagt, der HErr habe gewußt, daß bereits alles vollbracht sei, auf daß die Schrift erfüllet würde, während er doch noch am Kreuze lebt, der Tod noch nicht geschehen ist, und dieser Tod selbst von den Propheten und dem HErrn geweißagt ist und daher erst vollendet werden muß, ehe alles geschehen ist, was auf Christum geschrieben steht. Man könnte freilich sagen, es könne der Natur der Sache nach das Wort „es ist vollbracht“ sich nur auf diejenigen Weißagungen beziehen, die bis zum Tode gehen, da ja der HErr begreiflich nicht habe können sagen wollen, es