Seite:Wilhelm Löhe - Sieben Vorträge über die Worte JEsu Christi vom Kreuze.pdf/141

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

anderes, als ich werde mich tödten. Während man die Juden Mörder nennt, sammt allen denen, welche den HErrn ans Kreuz gehängt haben, scheint es bei einer solchen Auslegung, als wollte man den HErrn selbst zum Mitursächer Seines Todes machen und etwa gar unter die Rotte Seiner Mörder mengen. Es ist ja freilich richtig, daß der HErr eine sterbliche Menschheit an sich genommen, daß die Kreuzigung den Tod derselben herbeiführen mußte und daß daher diejenigen, welche die Schuld Seiner Kreuzigung tragen, Blutschuld an Ihm haben und Seine Mörder sind. Die Juden sind also Seine Mörder, und Er hat nicht selbst nach dem Kreuz gestrebt. Aber wenn Er nun auch bei der sichersten Voraussicht Seines nahenden Endes Sein Leben auch nur um einen Augenblick verkürzt, selbst die Bande, die Leib und Seele vereinigen, aufgelöst hätte, könnte sich da nicht ein anfechtender Gedanke des Inhalts erheben, als sei Er selbst der Ursächer Seines Todes? Weiß Er, was niemand weiß, nemlich wo Leib und Seele zusammenhangen, kennt Er die Knoten unseres Daseins, kann Er sie lösen, warum hat Er sie dann nicht lieber zusammengehalten und verbunden gelaßen, so könnte man allerdings fragen, aber die Frage wäre doch keineswegs recht. Es mußte ja doch Sein Tod erfolgen, wie sollte denn außerdem die Schrift erfüllt und unser Heil geschafft werden? Auch darf man ja den Hohenpriester und Erlöser der Welt, der gesagt hat, ich habe Macht, mein Leben zu laßen und es wieder zu nehmen; nicht in eine und dieselbe Reihe mit den armen Sündern stellen, die freilich keine Macht, als eine frevelige haben, ihr Leben zu laßen, und ebensowenig eine Macht, es wieder zu nehmen. Es ist richtig, daß alles vermieden werden muß,