Seite:Wilhelm Löhe - Sieben Vorträge über die Worte JEsu Christi vom Kreuze.pdf/24

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von christlichen Gelehrten zusammengestellt worden sind, und wende alles auf die Kreuzigung Christi an, und wenn sich irgendwo in unserer oder einer anderen Kirche, die dem HErrn Christo dient, ein Mensch findet, dem es gegeben ist, durch eine größere Gabe der Einbildungskraft und durch mehr Licht des heiligen Geistes die Leiden Christi zu schauen, wie sie gewesen sind, oder gewesen sein müßen, oder doch gewesen sein können, dem laßt uns bei aller angewandten Vorsicht, Irrtum zu vermeiden, zuhören, damit uns recht klar werde, was das heißt: Sie kreuzigten JEsum, und sie hiengen zwei Schächer neben ihn. Wir müßen ja dahin kommen, diese beiden Dinge so anzuschauen, so zu erkennen, daß wir wißen, wovon die Rede ist, und weshalb der HErr Sein erstes Wort am Kreuz gesprochen hat. Damit uns nun die Vergegenwärtigung Seiner Leiden diesen Dienst thue, wollen wir auch nie vergeßen, wie unterschiedlich alles Thun und Leiden durch Erwägung der Personen erscheint, die da handeln, oder dulden. Eine Kreuzigung ist an und für sich, sie geschehe an wem sie wolle, eine jämmerliche Sache, und wenn uns erzählt wird, daß bei Damaskus mit einem gekreuzigten Sclaven die ganze anwesende und schauende Menge geweint und gejammert habe, so begreift sich das leicht. Ebenso ist es herzbrechend, wenn irgendwo ein Mensch von gewöhnlicher Redlichkeit unter die Mißethäter gerechnet und ein Unschuldiger mit der Pein belegt wird, die schon am Schuldigen das Mitleid erregt; es geht nichts mehr zu Herzen, als unverdientes Weh. Was soll man nun aber sagen, wenn man JEsum Christum, den Untadelichen und Reinen, deßen Verhalten zumal in der nächsten Zeit vor Seinem Leiden und vor Seiner Kreuzigung her die Anerkennung, die Hochachtung, die Verehrung,