Seite:Wilhelm Löhe - Sieben Vorträge über die Worte JEsu Christi vom Kreuze.pdf/29

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grauenvolle, aber dennoch dem Volke unbewußte satanische Begeisterung vorhanden. Als Judas Ischarioth der Fackelträger der Rotte werden sollte, die den HErrn ergriff und zu Seinen Leiden führte, fuhr der Satan in ihn; ein Mensch in des Teufels Gewalt gieng seinem ganzen Volke auf dem Wege der schauerlichsten Versündigung voran; ihm nach, selbst vom Bösewicht ergriffen, gieng das ganze Volk. Es war durch eigene Schuld ein Werkzeug und ein Mitschuldiger der Hölle geworden, und in der satanischen Verblendung und Dahingerißenheit wußte keiner, was er that. So war ihre Unwißenheit allerdings eine verschuldete, aber der barmherzige Hohepriester aller verlornen Schafe, der vollkommene Richter aller Menschen, schied die Schuld, die sie erkennen mußten, von der Mitschuld, die ihnen verborgen war, und weil sie nicht bloß ihres Willens lebten, weil sie dahingerißen waren und verblendet, und deshalb auch das nicht wußten und erwogen, was sie hätten wißen und erwägen können, so sagt Er, sie wißen nicht, was sie thun. Sie wißens, ihr Gewißen bezeugt es ihnen, und sie wißens doch nicht; weil sie nicht rechtzeitig bedacht hatten, was zu ihrem Frieden diente, so wurde ihnen nun ein höllischer Taumelkelch gereicht, und sie vollbrachten eine That, die, so gewis sie durch Menschen geschehen ist und geschehen mußte, doch auch zugleich die Ausgeburt höllischer Mächte gewesen ist, wie der HErr zu seinen Häschern sagte: „Das ist eure Stunde und die Macht der Finsternis.“ So sind sie denn entschuldigt und nicht entschuldigt, und während uns der erste Theil unsrer Betrachtung die grauenvolle That der Juden gezeigt hat, zeigt uns der zweite die dämonische, höllische Finsternis, in welcher dies Volk seine Wege auch dann noch gieng, als