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unsere Unwißenheit erkennen, sondern es muß eine Lösung geben und gibt auch eine, die uns mit Licht und Klarheit erfüllt, uns demüthigen und erhöhen kann, – und diese nehmen wir eben aus der Antwort auf die Frage des HErrn, warum, warum hast Du mich verlaßen?


3.

 Es ist eine eigene Sache mit den Wörtchen „warum“. Wir setzen es im Deutschen nicht bloß, wenn wir nach dem Grunde, sondern auch wenn wir nach der Absicht forschen, und übersetzen die Wörter von beiderlei Bedeutung mit dem Einen Ausdruck, verhüllen dadurch den Sinn der fremden Sprache. Sieht man nun hier an unserer Textesstelle den Ausdruck an, welchen die Grundsprache gebraucht, so wird man fast mehr geneigt, das deutsche Wort im Sinne von „wozu“ oder „zu welcher Absicht“ zu verstehen. Faßt man es also, so hätte der HErr am Kreuz bei den ausgesprochenen Worten in der Finsternis Leibes und der Seele, die auf Ihm lastete, weniger nach der Ursache, als nach der Absicht Seiner Leiden geforscht. Indem es nun aber scheint, wie wenn auf diese Weise die Faßung der Rede JEsu richtiger geworden wäre, und mehr Licht in sie gefallen, findet man doch bald wieder, daß der Gewinn kein großer ist. Nicht bloß geht die Frage nach der Ursache sehr oft innig mit der nach der Absicht zusammen, sondern wir sind bei dem einen wie bei dem andern Sinn des Wortes „warum“ immer in der gleichen Verlegenheit, nämlich in der, ob wir denn annehmen müßen, daß der HErr am Kreuze, die Person, von der wir im zweiten Theile geredet haben, während der äußeren Finsternis in eine solche