Seite:Wilhelm Löhe - Sieben Vorträge über die Worte JEsu Christi vom Kreuze.pdf/94

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wollen, diese Frage aufzuwerfen und zu lösen, so pur misglückt, so gar nur einer menschlichen Deutung ähnlich, daß ich mich am Ende lieber zu dem Wort verstehe, so wie es dasteht, und ohne Auslegung glaube, es sei dem HErrn beschieden gewesen, in eine solche Finsternis hinein zu kommen, daß Er auch den Blick in das Reich Gottes und in Seinen eigenen Weg, in diese lichte Milchstraße aller geschichtlichen Dunkelheiten, selbst verlor. Da liegt dann eigentlich in der Frage „warum“ das grauenvollste Zeichen und Zeugnis Seiner Verlaßenheit und es wird dadurch, alles Vorige dazu genommen, der Zustand JEsu so schrecklich, (ich würde sagen, so verzweiflungsvoll, wenn Er, der große Heiland, nicht völlig frei von Verzweiflung geblieben wäre,) daß mir dies Wörtchen „warum“ zum höchsten Gipfel aller Seiner Leiden wird.

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 Da wäre denn also Ihm das Verständnis Seines Weges auf ein Weilchen entnommen worden, und Er an Erkenntnis des Heilsweges unter die Engel, ja vielleicht unter Maria, Seine Mutter, erniedrigt worden, auf daß uns desto weniger irgend einmal der Blick in unser Heil und in das Reich Gottes vergienge. Er hätte sich dann bei der Macht und Last Seiner Leiden selbst an gar nichts mehr halten können, als an Sein gutes unsträfliches Gewißen, und an Seine Frömmigkeit, mit der er Gott ergriff, damit wir uns an eben dasselbige Gewißen unsers Erlösers und an Seine unüberwindliche Frömmigkeit desto mehr halten, Sein Verdienst damit beweisen und auf Grund desselben um Gnade flehen könnten, wenn uns all unser Gewißen dahinsinkt und nichts übrig bleibt, als die offenen Wunden JEsu und Sein uns zum ewigen Wohle, so weit wir es bedürfen, klar beantwortetes „warum.“ HErr JEsu, ich armer elender Mensch