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Wilhelm Löhe: Wilhelm Löhe’s Tractate für die Seelsorge. IV: Timotheus. Eine Ermahnung an die Eltern, ihre Kinder von Jugend auf die heilige Schrift zu lehren, und an die Kinder, sie von Jugend auf zu lernen.

nicht begreifen kann, wie es kommt, daß die Eltern die süße Pflicht von sich abschütteln und andern Lehrern und Lehrerinnen aufladen mögen. Was ist schöner, als die eigenen Kinder dahin zu bringen, daß sie aus stummen Büchern reden lernen und die Gedanken entfernter oder längst entschlafener Menschen aus so wenigen Zeichen, fünfundzwanzig Buchstaben, verstehen lernen und also in eine geistige Verbindung mit ihnen treten können. Setz dich doch im stillen Winter, wo dich Schnee und Eis und der Schlaf der Natur verhindert, hinauszugehen und deine Feldarbeit zu thun, zu deinem Kinde und lehre es lesen. Damit lernst du selbst etwas und verlernst das Lesen nicht, was in unsern Tagen so viele verlernen, weil sie ihre Kinder nicht mehr lehren, wie unsere Väter und Mütter uns gethan haben. Geh nur einmal am Sonntag Mittag oder Nachmittag, wenn die Leute die Predigt zu lesen pflegen, durchs Dorf, und höre, wie sie stottern und sich mühen, und so elend lesen, daß kein Zuhörer sich aus ihrem Vorlesen erbauen kann! Warum lesen sie denn so schlecht? Es ist die Strafe dafür, daß sie ihre Kinder nicht mehr selbst lesen lehren und sich mit ihnen im Lesen üben. Darum gehorche doch meinen Rath und fange wieder an mit deinen Kindern zu lesen und sie lesen zu lehren. Das alles aber sage ich dir keineswegs allein in der Absicht, dich zu bewegen, daß du mit deinen Kindern blos zeitlich nützliche Dinge lesen mögest; sondern ich wünschte, daß du wie Lois und Eunice mit deinem kleinen Timotheus oder mit deiner eigenen kleinen Eunice die heiligen Schriften des alten und neuen Testamentes lesen und studieren möchtest, die von Gott selbst eingehaucht sind und dich sammt deinen Kindern zum ewigen Leben anweisen können. Sollst du dein Kind lesen lehren um seines zeitlichen Nutzens willen, wie viel mehr wirst du die Pflicht auf dir haben, es um des ewigen Segens willen lesen zu lehren. Ich verspreche dir, so zu sagen,

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Wilhelm Löhe’s Tractate für die Seelsorge. IV: Timotheus. Eine Ermahnung an die Eltern, ihre Kinder von Jugend auf die heilige Schrift zu lehren, und an die Kinder, sie von Jugend auf zu lernen.. Carl Junge, Ansbach 1865, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Timotheus.pdf/5&oldid=- (Version vom 1.10.2017)