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finden unter den Haufen, die da feiern und anbeten vor des Lammes Thron.

V.

 Ist es also, so haben christliche Eltern, denen Kinder vor der Taufe sterben, keine andere Aufgabe, als alle übrigen, die Angehörigen zu Grabe zu legen: sie müßen sich lernen in Gottes Willen fügen, und die große Tugend aller Heiligen, Ergebung und Gottgelaßenheit studieren. Du hast es dir anders gedacht, lieber Bruder, liebe Schwester. Ihr habt euch das süße Glück schon ausgemalt, ein Kindlein aufzuziehen und mit ihm umzugehen, nun aber habt ihr den Beruf, Gotte wiederzugeben, was er euch gegeben hat, noch ehe ihr es recht besaßet, und eure Aufgabe ist, in einem geringen Maße Nachfolger Abrahams zu werden, der seinen längstgebornen Sohn, den Erben großer Verheißungen für das Reich Gottes auf Erden, dennoch schlachten sollte, und sich in den scheinbar unbegreiflichen und widersprechenden Befehl Gottes finden. „In geringem Maße;“ denn was ists für eine Aufgabe, ein ungebornes oder todtgebornes Kindlein zu geben, gegenüber der Aufgabe, einen Isaak zu opfern? Darum seid nur gelehrig in eurem Beruf und nehmet den Willen Gottes hin, ohne welchen kein Haar vom Haupte, und kein Vogel vom Dache fällt. Bald wird euch der Geist des HErrn alles zurechtgelegt haben, und ihr werdet euch freuen lernen auf die Ewigkeit, wo euch Kinder begrüßen werden als die euern, die ihr hier kaum schauen, geschweige kennen lernen konntet.

 So tröstet euch nun mit diesen Worten untereinander.


Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Wilhelm Löhe’s Tractate für die Seelsorge. II: Trost für Eltern über todtgeborne Kinder. U. E. Sebald’sche Buchdr. u. Verlagshandlung, Nürnberg 1860, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Tractate_f%C3%BCr_die_Seelsorge_2.pdf/8&oldid=- (Version vom 27.7.2016)