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nicht als eine Speiseanstalt Gottes anzusehen, sondern in der Speise nur eine nothwendige Lebensbedingung zu erkennen, zu rechter Zeit zu essen und immer nach dem rechten Maße. Ein immer voller Magen verursacht alle mögliche Unbequemlichkeit und Schmerzen des Leibes, macht untüchtig und unlustig zum lernen und zum gehorchen. An vielen Kindern würde die Erziehung eine ganz andere Frucht tragen, wenn das immerwährende Hinderniß des vollen Leibes aufhörte. Hier ist ein herrliches Ziel der Kinderschule, welches in das spätere Leben hinein Früchte trägt für Leib und Seele. – Der größte Triumph ist es freilich, wenn Ordnung und Maß in Speise und Trank nicht blos die Frucht der puren Gewöhnung ist, sondern je mehr und mehr das Kind selbst bewußtermaßen sich mit der Lehrerin vereint zum edeln Ziele der Mäßigkeit.

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 Bei der Gewöhnung des Kindes hat man auch ein Hauptaugenmerk auf die Reinlichkeit zu richten und zwar auf die innerliche und äußerliche. Die innerliche Reinlichkeit ist jedoch nicht mit der Reinigkeit der Seele zu verwechseln. Wir haben nichts anderes im Sinn als die Reinlichhaltung der inneren Theile des Leibes, der Eingeweide, auf welche hingedeutet und sie dem Nachdenken empfohlen zu haben, genug sein mag. Ein reines Herz, wenn es vorhanden wäre, sollte den Menschen an und für sich selber auch zur Reinlichkeit treiben; aber das gesammte menschliche Wesen und die Vollkommenheit des Menschen ist Stückwerk, daher auch nicht immer die Reinigkeit Reinlichkeit zur Folge hat und auch bei dem Menschen, der bereits Reinigkeit liebt, Erziehung zur Reinlichkeit noch ganz an der Stelle ist.[1] Fragt man: wer ist reinlich? so kann man darauf nie antworten: „Derjenige, welcher nie unrein wird,“ sondern man muß sagen: Derjenige, welcher die unvermeidliche Verunreiniuung des Leibes beständig


  1. Bei wie vielen ländlichen Haushaltungen ist es mit dem Christenthum voller Ernst, und doch ersticken sie fast im Schmutz. – Der nordamerikanische Indianer ist ein Christ, aber er läßt sich eher aus Florida vertreiben, ehe er Civilisation annimmt. – So ein großer Weg ist von dem Christenthum zur rechten äußern, vielmehr inneren Bildung[.] Und doch erstirbt das Christenthum, das sich der Anforderung der äußern und innern Bildung entschlägt.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Von Kleinkinderschulen. Gottfried Löhe, Nürnberg 1868, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Von_Kleinkinderschulen.pdf/12&oldid=- (Version vom 8.8.2016)