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entwöhnt werden muß von selbstsüchtigen Ausdrücken, Schimpfworten, Geschrei, Fluch und Schwur, unsaubrer Rede von Stall und Abtritt hergenommen, was alles schon frühzeitig von den älteren auf die jüngeren überzugehen pflegt. Da gibt es allerdings genug zu thun und es bedarf einer großen Kraft und Beharrlichkeit der Lehrerin, wenn sie nur einigermaßen durchdringen will. Auch gilt es hier nicht bloße Strenge, sondern eine Bewältigung der Seele durch Freundlichkeit, Holdseligkeit und Liebe der Lehrerin. Es ist in diesem Stücke namentlich zu merken, daß man nichts leisten kann noch geben, was man nicht selbst hat. Ein ungebildeter Mensch kann keine Bildung mittheilen. Ein Satz und Wort, die vielleicht niemand öfter und besser hervorgehoben hat, als Bischof Sailer.


VI.

2. Die Beschäftigung

des Kindes ist theils Arbeit, theils Spiel. Die Kinderlehrerin hat darauf zu sehen, daß das Kind auf eine von beiden Weisen immer beschäftigt sei. Völlige Ruhe hat der Mensch außer dem Schlafe nicht und soll sie nicht haben. Am Tage tritt nur ein Wechsel der Beschäftigungen ein, so beim Erwachsenen wie beim Kinde, und in der Abwechslung besteht die Erquickung. Auch bei Erwachsenen wechselt Arbeit und Spiel, denn die Erholung, welche Jedermann dem Erwachsenen gönnt und


    nach allen Seiten, gebraucht seine Glieder, geht leicht, naturgemäß und schön. – Aehnlich ist es mit den Bevölkerungen, die auf dem Kopfe tragen. Sie müssen Balance halten, Arm und Fuß brauchen, dürfen nicht gebückt noch krumm gehen. Die Gewöhnung von Jugend auf befördert den schönen Gang. Daß Kropf entstehe, ist leicht zu vermeiden. Daran z. B. zeigt sich, wie ganz in der Ordnung es ist, die Landkinder in ihrer Weise heranwachsen zu lassen. – Wo man Landkinder anders als ländlich erziehen will, muß man ihnen auch für die Zukunft andere Verhältnisse sichern können; sonst befördert diese Erziehung nicht Glück, sondern Unglück. Das sieht man an so vielen armen Kindern, die von vornehmen Frauenzimmern wie Puppen erzogen werden. Sie werden mit unnöthigen Bedürfnissen vertraut und hernach elend an Leib und Seele werden, weil sie doch keine reichen und vornehmen Kinder werden dadurch, daß man sie verwöhnt.

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Wilhelm Löhe: Von Kleinkinderschulen. Gottfried Löhe, Nürnberg 1868, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Von_Kleinkinderschulen.pdf/17&oldid=- (Version vom 8.8.2016)