Seite:Wilhelm Löhe - Von dem göttlichen Worte.pdf/8

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wilhelm Löhe: Von dem göttlichen Worte, als dem Lichte, welches zum Frieden führt

Gottes Manna däucht ihm eine lose Speise; er ist aus der Ruhe in Anfechtung gerathen, hat das Gleichgewicht verloren, weiß sich selbst nicht zu beurtheilen; sein schwankendes, von den widerstrebendsten Gefühlen zerrissenes Herz thut ihm so weh: er kommt sich vor, wie der verlorne Sohn, wie in weiter Ferne von seinem Vater; – sein ganzes Christenthum, die Stunden, in welchen er Gott so nahe war, erscheinen ihm wie Schwärmerei; – er girrt und weint, bis wieder eine Freudenstunde kommt und ihn das Leid vergessen läßt auf eine kleine Weile; dann verliert er die Freude wieder, verliert sie öfter wieder, bis er über dem dauernden Wechsel ernstliche Zweifel bekommt, bis sein Herz, beklommen, schwer angefochten von der Furcht, von Gott verlassen zu seyn, sich nicht mehr halten kann, und unter heißen Thränen Trost bei Freunden und Nachbarn, bey Lehrern und Seelsorgern sucht. Diese sinnen und sinnen, wie dies Herz zu trösten sey: ihr Schluß ist, daß es am Glauben fehlen müße; was aber zu ihrem Troste die kranke Seele in ihren Anfechtungen zu glauben habe, das wird ihr nicht gesagt, weil es nicht sagen kann, wer es nicht weiß. Oder es sagt’s einer, wie er’s zu wissen glaubt; er spricht: „Glaube, daß dir Gott bei all dem dennoch gnädig sey,“ oder so etwas. Wenn aber die bekümmerte Seele fragt: [„]Weißt du’s gewiß, daß Er mir gnädig ist? Wie beweisest du mir’s? Ich fühle das Gegentheil!“ – da kann der Rathgeber in der Eile die Beweise für die Gewißheit, die Bürgschaft für seinen

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Von dem göttlichen Worte, als dem Lichte, welches zum Frieden führt. in Commission der J. Ph. Raw’schen Buchhandlung, Nürnberg 1842, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Von_dem_g%C3%B6ttlichen_Worte.pdf/8&oldid=- (Version vom 1.8.2018)