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hat, reden vom Fegfeuer nichts, und überdieß ist die eine (2. Macc. 12, 43. ff.) aus einem apocryphischen Buche genommen, kann also nichts beweisen. Die Meinungen etlicher alter Lehrer aber fanden Widerspruch und drangen nicht hindurch. Wodurch hat denn nun die Lehre vom Fegfeuer einen so großen Eingang gefunden? Wodurch meinst du, Leser? Durch die Geistererscheinungen. Die Kirchenväter erzählen uns, daß diese vom Jahr 600 n. Chr. an sehr häufig geworden seien, während man früher hin weniger von ihnen erfahren hätte. Ueberall – auf alle mögliche Weise – ließen sich Geister sehen und hören, sagten an, wer sie in diesem Leben gewesen seien, versicherten, daß ihnen die Liebe und das Gebet der Lebendigen und ihre gottesdienstlichen Werke so nützlich seien, flehten und wimmerten um Erbarmung, Gebete, Gottesdienste (Messen), – und zwar ganz in derselben Weise, wie es heut zu Tage auch zu geschehen pflegt. Und wie sich in unsern Tagen manch’ schwacher Christ oder Unchrist (denn diese Geister unterscheiden nicht gerade) durch das Flehen abgeschiedener Seelen geehrt fühlt und dann der Geister Willen thut; so geschah’ es auch damals. Man gab nach, man betete, man las Messen. – Die Geister kamen wieder, gaben vor, ihrer Qual los zu seyn und nun in den Himmel eingehen zu dürfen. So ging es fort in’s Unendliche, – jede neue Erscheinung bewies, daß es ein Fegfeuer gebe und Reinigungsqualen der Abgeschiedenen. Nun stieg und stärkte sich der Glaube an das Fegfeuer. Jeder wollte vor demselben bewahrt bleiben und die Seinigen bewahren. Jedermann freute sich, im Gebete, in der Messe, und was sich sonst anhing, Mittel zum Zweck gefunden zu haben. Auf

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Wilhelm Löhe: Was ist es mit den Geistererscheinungen?. C. H. Beck’sche Buchhandlung, Nördlingen 1843, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Was_ist_es_mit_den_Geistererscheinungen.pdf/7&oldid=- (Version vom 17.7.2016)