Seite:Wilhelm Löhe - Zum Gedächtnis meines Pathenkindes Lorenz Wilh. Friedr. August Kündinger.pdf/12

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Strafe geglaubt und erkennt hat, ehe das Unglück kam. Ach, es ist nicht so gar leicht, meine Freunde, nicht so gar leicht, als es dem nüchternen, kühlen Verstande scheint, von der Strafe auf die göttliche Absicht unserer Umkehr den Schluß zu machen! Bricht die Strafe herein, ach, da wühlt das Menschenherz in seinem Elend und kommt nicht von der Stelle, – es gräbt im Thränenthal, wie wenn es eigensinniger Maßen Freudenquellen dem harten Boden abgewinnen wollte! Der Unglückliche faßt leichter den Gedanken: „Gott straft mich nun,“ als den: „Gott beßert mich nun.“ Gar leicht spricht er: „Gott zerschlägt mich, Gott zerreißt mich;“ und gar schwer lernt er das Herz erheben und sprechen: „Kommt, laßt uns zum HErrn gehen! Er hat uns zerrißen, Er wird uns auch heilen; Er hat uns geschlagen, Er wird uns auch verbinden!“ Und eben deshalb geht es dann auch so schwer, die Gottesgnade zu sehen, die trotz der Strafe bereit ist, und den himmlischen Apfel neben der göttlichen Ruthe. – Gehe zum HErrn, Unglücklicher! Wisch das thränenreiche Auge ab, daß du unumhüllten Blickes aufwärts und hinaus auf die ferneren Wege schauen kannst, die dir dein Gott eröffnet! Das Heil der zwei, drei Tage zwischen Charfreitag und Ostern ist lang gewonnen und ist Balsam für alles Unglück, welches über die Menschen kommen kann, verwandelt jede Strafe in heilsame, friedenreiche Züchtigung, wenn nur das Herz sich zu Gott kehrt und das Auge nicht verfinstert ist. Seit dem ersten Ostern der christlichen Kirche ist zwar nicht aufgehoben die uralte Satzung, daß dem Glück das Unglück, dem Sündenglück das Unglück der Strafe folgt; – daß Glück und Unglück wie Tag und Nacht, wie Körper und Schatten verbunden sind; aber es ist auch aufs Neue bestätigt die gleichfalls uralte Satzung, daß auf die Nacht der Tag wieder kommt, und auf den Trauertag der Freudentag, und auf die Strafe das göttliche Erbarmen. In Christo JEsu, der auf Golgatha gestorben und aus dem