Seite:Wilhelm Löhe - Zuruf aus der Heimat an die deutsch-lutherische Kirche Nordamericas.pdf/28

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niemals völlig dem Urbild ähnlich wird, welchem sie entgegenstreben soll. Wir wißen es und begehren nicht unbarmherzig über die Zustände des bloßen Anfangs und der Unvollkommenheit zu richten, welche wir hie und da finden. Weißagen sie doch Vollendung, und sind sie doch jeden Falls beßer, als der jammervolle Zustand des Todes, in welchem noch so viele Gemeinen liegen, die den Namen haben, daß sie leben! Aber alle Barmherzigkeit und Schonung verhindert doch nicht, fordert vielmehr, daß man immer zum Urbild den Blick der Gemeinen zu erheben suche. So erkennen wir auch ganz wohl alle die Wohlthat, welche man in Deutschland und Nordamerica den manchfaltigen christlichen Vereinen verdankt; aber wir erkennen auch anderer Seits, daß Vereine, wie sie zu sein pflegen, nur mangelhaft erreichen, was erreicht werden könnte und sollte, wenn die Kirche und ihre einzelnen Gemeinen eine höhere Stufe der Vollendung erreicht hätten. Gleichwie die Kirche Gottes im Ganzen und Großen der von Gott gewollte Verein für alles Gute ist und unter ihrem Haupte Christus und Ihm nach alles Gute üben soll; so soll auch jede einzelne Gemeine ein treues Bild der Kirche Gottes, eine Kirche im Kleinen sein, also ein Verein zu allem Guten unter ihrem irdischen Hirten und Führer und ihm nach. Weil man zu allem Guten vereinigt ist, sollte man keiner Vereine zu einzelnen guten Werken bedürfen; kein einzelnes, gutes Werk sollte über andere hervorgehoben, keines so gefördert werden, daß Werkerei und Eitelkeit willkommenen Spielraum fände. Da sollte es z. B. keiner Krankenvereine bedürfen. Ist doch jede rechte christliche Gemeine in ihren Versammlungen auch zum Gebete für ihre Kranken vereint. Alle sind einmüthig und einhellig mit dem Hirten! Der Hirte kennt die kranken Glieder seiner Gemeine; er kennt auch die unter seinen