Seite:Wilhelm Löhes Leben Band 1 (2. Auflage).pdf/277

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Stände und für alle Anliegen der Menschheit gebetet, dann die Passion des HErrn fortlaufend erklärt wird. – Am Sonntag geht der Verweser früh sechs Uhr bis etwa ein halb acht Uhr in die Sonntagsschule, um neun Uhr geht er Gottes Wort zu predigen in die Kirche, um ein Uhr abermals zur Kinderlehre, in welcher aber auch die Alten antworten, dann singen in seinem Garten Sonntagsschüler und Sonntagsschülerinnen heilige Lieder mit dem Schullehrer, und der Verweser wird von nun an das Accordeon dazu spielen.

 „Ich bin gesund am Leibe, gesünder als je, und die Landluft schlägt meinem Leibe so gut an, daß meine Kleider mir zu enge werden. Aussichten und Pläne auf Anstellungen habe ich keine; obwohl meine Freunde bald dies, bald jenes wissen wollen, sinds doch nur sanguinische Hoffnungen, welche die demüthigende Hand des HErrn zernichtet. Es ist auch gut; denn ob ich wohl gegenwärtig nur ein Dorfvicar bin, vermag ich doch nicht einmal diesen Platz auszufüllen, was auch die Gemeindeglieder bemerken, von denen mich daher eins und das andere auf die gröbste und auffallendste Weise schimpft und schilt. Ueber den verzweifelt bösen Zustand der Gemeinde und eigenes Elend trage ich Leid; aber ich bin doch getröstet und erkenne eben, daß das Leben kein Spaß, sondern bitterer Ernst, und die Ewigkeit Freude ist.

 „Weiter weiß ich nichts.
 Friede mit Dir und

Deinem 
W. Löhe.“ 


 In Bertholdsdorf hatte Löhe die Freude, seine Mutter um sich zu haben, die ihm hier und in Merkendorf seinen Haushalt führte. Es war ihm eine süße Genugthuung, „ihr wie Joseph