Seite:Wilhelm Löhes Leben Band 1 (2. Auflage).pdf/278

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seinem Vater Jakob, Ruhe und eine Zeit der Erquickung zu verschaffen.“ Er stand zu ihr in einem Verhältnis, in welchem die Ehrfurcht so groß war als die Liebe. Die Mutter, ob sie auch mit gerechter Freude auf ihren Sohn blickte, war dennoch nicht gemeint, der mütterlichen Autorität etwas zu vergeben, so wenig als der Sohn dran dachte, derselben etwas zu entziehen. Die Schönheit eines richtigen Verhältnisses zwischen Müttern und ihren erwachsenen Söhnen wußte Löhe aus Erfahrung zu rühmen. Nur in einem Punkt fand die Mutter, daß ihr Sohn auf sie allzu wenig Rücksicht nehme, und hierüber bezeigte sie zu des Sohnes Schmerz diesem manchmal ihre Unzufriedenheit – dies war die weit getriebene Gastfreiheit, in deren Uebung ihr Sohn kaum Grenzen kannte. Daß der Mutter zuweilen etwas bange wurde, wenn der Sohn die apostolische Mahnung „herberget gerne“ in so ausgiebiger Weise befolgte, wie er es that, ist begreiflich. Man kann sich ihre Verlegenheit denken, wenn sie trotz der immerhin mangelhaften Einrichtung, wie sie eben ein Verweser besitzt, während der Pfingstfeiertage dreißig Personen zu beherbergen hatte. Uebrigens waren dergleichen kleine Störungen des Verhältnisses zwischen Mutter und Sohn etwas ganz Vorübergehendes.

 Löhe’s Leben in Bertholdsdorf verfloß in ländlicher Stille, durch keine bemerkenswerthen Ereignisse unterbrochen. Nur zwei Vorkommnisse in seinem Bertholdsdorfer Amtsleben verdienen bemerkt zu werden. Das eine war die Taufe eines jüdischen Proselyten, die Löhe am Pfingstfest in Windsbach vollzog, das andere ein besonderer Pastoralfall, dessen Beschreibung wir mit Löhe’s eigenen Worten mittheilen, zum Beweis, wie frühzeitig ihm Gelegenheit gegeben wurde, auf einem dunkeln Gebiet der Seelsorge Erfahrung zu sammeln, und Kraft und Weisheit, auch in so schwierigen Fällen seelsorgerlichen Rath und Dienst zu leisten.