Seite:Wilhelm Löhes Leben Band 1 (2. Auflage).pdf/356

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

reißt mich hin, daß ich mein nicht mächtig bin, wenn ich predige. Es ist ja meine beste Freude und meine größte! Und wenn ich dann wieder da bin in meinem stillen, schönen Stüblein – o dann merk’ ich wieder, daß das „herzlich und klar“, welches mir Fuchs bei der Ordination zurief, das „wahr und klar“ des frommen Boos doch wieder nicht in meinem Herzen gelebt hat. Ist das nicht ein Jammer? Dann werf’ ich mich und die arme Gemeinde in Gottes Erbarmen und bitt’ um Vergebung und Leben aus Christo für mich und die Gemeinde. Was ist dann das für ein getröstetes, freudenreiches Elend! ...

 Vom Predigen in der Universitätskirche wirst Du wenig haben. Du hast einstweilen genug gepredigt, mein’ ich. Jetzt naschest Du am Predigtamt, es kommt anders, merk’ ich.

Dein immer treuer, armer 
W. Löhe. 




An Frau Dor. Schröder.


Kirchenlamitz, 21. September 1833. 

 Liebe Schwester!

 Hab’ Dank für Deinen letzten Brief vom 25. August mit den mancherlei für mich allerdings interessanten Nachrichten.

 An M. habe ich bereits geschrieben und grüße ihn auf’s Neue. Jeder Vicar fährt mit vollen Segeln in sein Vicariat, däucht sich ein Apostel in der Gemeinde zu sein und will flugs ein Boos, Goßner etc. werden. Aber so geht’s nicht. Es geht uns wie unserm Herrn: Bevor das Samenkorn nicht verfault, kann es keine Frucht bringen; wir müssen, die Anwendung des Gleichnisses ist freilich eine ganz andere als bei dem Hochgelobten, erst sterben nach unsern Eigenwillen, unser Nichts tief empfinden, bevor uns Seine Gnade überströmt und auf uns