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An Herrn Professor K. v. Raumer.


Bertholdsdorf, 13. Juni 1836. 

 Theurer Vater!

 Durch Dein Messer leb’ ich noch Eins so lang; denn was erspar’ ich nicht an Zeit. Habe herzlichen Dank, und ich will Dir’s, wenn möglich, unbeschädigt wieder zustellen.

 Ich vertiefe mich dermaßen in meine Gemeinde, daß ich bald nicht mehr wissen werde, wo Erlangen, Fürth, Nürnberg und Windsbach liegen: alle Tage in den Häusern, alle Tage einen Sack trübseliger, erstaunlicher Erfahrungen mit heim nehmend, geh’ ich alle Tage wieder aus und bleibe, ich Stein, unangefochten, lustig und guten Muthes. Ich erkenne, daß eine kleine Landgemeinde einen Mann von mäßiger Kraft vollkommen in Anspruch nehmen kann. Wenn ich einmal wieder die Freude habe Dich zu sehen, muß ich Dir Einiges erzählen. Ich meine, ich habe Wunders was erfahren, wie elend aber ist die Welt, wenn sie überall meiner Erfahrung gleicht! – Doch ich will Dir lieber einen Spaß machen, damit Du Dein eignes Leid vergessest. Wie, glaubst Du, hat ein Bauer seinem Kinde Genesung von Krankheit bereiten wollen? Antwort: Der gieng zuerst zum Landarzt und ließ ein Recept schreiben; dann gieng er zum Physikus und ließ auch eins schreiben; die beiden trägt er zum Apotheker und gibt ihm auf, dasjenige zu machen, welches das beste wäre. Der antwortet: die zwei seinen nicht zu vergleichen, sie seien conträr. Der Bauer sagt: da müsse man doch das Recept des Physikus machen, weil der höher sei. Als er’s nun heim bringt, hilft’s nichts; um nun das Geld nicht umsonst ausgegeben zu haben, gießt er’s dem Kind nach und nach in sein Trinkwasser und verdirbt dem armen Tropfen