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und Ermahnungsgrade, sondern mit Umgehung oder mit bloß willkürlicher Voraussetzung derselben; endlich nicht bloß an denen, welche man bereits dem Namen nach kennt, sondern auch an solchen, welche als Verächter der Grundlehren des Evangeliums erst noch ausgeforscht und namhaft gemacht werden müßten. Es leuchtet ein, daß mit einem solchen Verlangen ein Verfahren hervorgerufen werden will, das in dieser Ausdehnung und Behandlungsweise kaum jemals in der evangelischen Kirche vorgekommen sein dürfte. Es handelt sich hiebei nicht um die Frage, ob unserer Kirche überhaupt das Recht zustehe, die kirchliche Disciplin in ihren verschiedenen Abstufungen, in ihren höheren und niederen Graden zu üben. Denn dieses Recht gründet sich auf die heilige Schrift und auf die daraus geschöpften allgemein bekannten Erklärungen der symbolischen Bücher; es ist deshalb unbestritten und selbst in der Verfassungsurkunde durch die Paragraphen 40–43 des Ediktes über die äußeren Rechtsverhältnisse des Königreiches Bayern in Beziehung auf Religion und kirchliche Gesellschaften, gewährleistet. Auch ist dieses Recht in seiner ersten oder untersten Stufe, welche in der Ausschließung von der Absolution und vom heiligen Abendmahle besteht, in unserer Kirche bisher in Übung geblieben, und es soll dieselbe nach der hierüber von der obersten Kirchenbehörde gegebenen Verordnung auch ferner in unbeschränkter Geltung bleiben, womit dem Antrage der Generalsynode auf eine wiederholte Einschärfung jener Verordnung in genügender Weise entsprochen ist. Aber eine ganz andere Frage ist, ob die Ausübung dieses Rechtes in seiner obersten Stufe, in der förmlichen und feierlichen Ausschließung von der kirchlichen Gemeinschaft, unter den bestehenden Verhältnissen – und nachdem dieses Recht seit dem 17. Jahrhundert ganz außer Übung gekommen ist, als rätlich und der Kirche so wie ihren Gliedern als förderlich erkannt werden könne; denn nicht dazu kann nach den Grundsätzen und nach der übereinstimmenden Praxis unserer Kirche die Exkommunikation als förmliche Ausschließung von der kirchlichen Gemeinschaft geübt werden, daß sie als eine bloße Strafe ohne nachfolgende wirksame Frucht erscheine; vielmehr soll sie ein Heilmittel sein, das diejenigen, bei welchen es in Anwendung kommt, wieder zu der Kirche zurückführen und darum von ihnen selbst als eine Wohlthat erkannt werden soll, wie denn nach altkirchlichem Gebrauche selbst die Ausgeschlossenen noch zur Teilnahme an der Predigt berechtigt und verpflichtet waren, und so in gewisser Weise noch als Glieder der Kirche betrachtet worden sind. Wird nun

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 351. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/357&oldid=- (Version vom 1.8.2018)