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abgesehen von der Willkür des in Antrag gebrachten Exkommunikationsverfahrens, die Frage in Erwägung gezogen: welche Wirkung sich überhaupt von einer Exkommunikation oder Ausschließung aus der Kirche unter den bestehenden Verhältnissen – und wo die Fähigkeit, eine solche kirchliche Zucht als ein Heilmittel zu betrachten, fast überall verloren gegangen und nicht wieder geweckt ist, erwarten lasse? so ist mit Sicherheit anzunehmen, daß diese Wirkung, wie das auch in einer sehr besonnen gehaltenen Eingabe mehrerer Geistlichen wohl anerkannt und begründet worden ist, keine der Kirche förderliche, sondern ihr höchst nachteilige und schädliche sein würde. Die von der Kirche mittelst eines förmlichen Exkommunikations-Aktes Ausgeschlossenen würden mit großer unheilbarer Bitterkeit von ihr sich abwenden, und eine Masse Unentschiedener und Irregeleiteter, die mit der Macht des göttlichen Wortes und mit der Geduld seelsorgerlicher Liebe für die Wahrheit gewonnen werden könnten, zu der Genossenschaft der entschieden Ungläubigen hinüber drängen. Bei dem Antrag einer solchen Exkommunikation ist ganz außer acht geblieben, daß die von gewissenhaften Geistlichen und Seelsorgern auf die Unterzeichner der genannten Adresse versuchten Einwirkungen nicht ohne Frucht geblieben sind, und das frühere Verhältnis sich auch in so fern geändert hat, daß mehrere Unterzeichner dieser Adresse seitdem zu den sogenannten freien Gemeinden übergetreten sind, und damit selbst von der Gemeinschaft unserer Kirche sich ausgeschlossen haben.

 Die unterfertigte Stelle beklagt die offene Verachtung, welche gegen die Grundlehren des heiligen Evangeliums auch im Schoße unserer Kirche an manchen Orten hervortritt, und spricht hierüber ihren tiefen Schmerz und ihre gerechte Mißbilligung mit demselben Ernste aus, wie dies von der letzten Generalsynode in einmütigem Beschlusse geschehen ist. Aber indem sie mit allen treuen Gliedern der Kirche wünscht, daß diesem drohenden Übel mit erfolgreichem Nachdrucke begegnet werde, muß sie das hiezu vorgeschlagene Mittel der Exkommunikation als ein unzeitiges, zweckloses und höchst bedenkliches eben so entschieden zurückweisen, als auch die vereinigte Generalsynode für ein solches Mittel sich auszusprechen unterlassen hat. Mit vollem Vertrauen wendet sich dagegen die unterfertigte Kirchenstelle an den Eifer und an die bereits vielfach erprobte seelsorgerliche Thätigkeit der Geistlichen, und ermahnt sie mit väterlichem Ernste, in dieser von vielen Gefahren und Versuchungen bedrohten Zeit ihres heiligen Amtes mit um so größerer Sorgfalt und Treue in Wort und Wandel zu pflegen, in der Einigkeit des Glaubens sich gegenseitig zu stärken und zu fördern, immer

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 352. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/358&oldid=- (Version vom 1.8.2018)