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 Verzeihen Sie nun, mein teurer Freund, daß ich Ihnen dies alles mitteilte, und noch in solcher Eile und erschwerender Schrift und Sprachform, es soll Ihnen bloß dienen, alles nochmals an die Schrift zu halten. Es muß Sie doch in der That etwas bedenklich machen, daß zu Ihrer Amtsniederlegung selbst uns preußischen Lutheranern die rechte Freudigkeit und Gewißheit fehlt, da uns der Herr im Kampf gegen die betrübende Weltunion so viele Jahre in die vordere Reihe getrieben hat. Ich habe zwar Ihre wackere Schrift: „Die wahre Gestalt der bayerischen Landeskirche“ gelesen, dessen ohnerachtet wünschte ich, wenn die unlutherischen Data und Facta innerhalb der bayerischen Landeskirche noch überblicklicher und faßlicher aufgezählt würden. Bei allen derlei Kämpfen geht nach Gottes Ordnung immer das Leben, die Praxis der Theorie voraus, nach dem bekannten Spruch Johannes 1, 4.: In Ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen, d. h. erst entwickelt sich die Wahrheit Gottes in den Führungen Gottes in der Praxis, und auf das Erscheinen dieses neuen lutherischen Lebens folgt dann das Licht, die Erkenntnis, die Theorie, die Verfassung. Mich beschleicht (den freilich Fernstehenden) die Besorgnis, als wenn Sie, geehrter Bruder, mit Ihrem Erkennen und Wissen und Theorie voraneilten, ehe noch der heilige Geist das lutherische Leben gerufen und geschaffen hat. Es schallte zwei Jahre lang im Politischen das ominöse „zu spät“, und wenn ich an Sie, teurer Bruder und Vorkämpfer denke, so flüstert es mir zu „zu früh“. Freilich weiß ich schon seit meinem lieben Lehrer Scheibel, daß ich mit Recht zu den Galatern, zu den Lauen von Natur gehöre,[1] die gerne für das Fleisch Frieden und weniger des Streites und Haders hätten; aber zu Speners Zeit, ja schon zu Arndts Zeiten, machten die Orthodoxen doch wohl zu viel Hader, und wenn die Fürsten nicht eingeschüchtert und gedämpft hätten, so hätte die Welt


  1. Scheibel nämlich klassifizierte die Galater mit den Laodicäischen.
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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 384. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/390&oldid=- (Version vom 1.8.2018)