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offenen Eingabe an die Behörden aus, daß nur wer im Einverständnis mit dem Pfarrer, von ihm gesendet eine amtliche Funktion vornehmen würde, Anerkennung und Gehör finden sollte. Löhes Vikar, Dr. Weber, auf dessen Aushilfe der aufgestellte Pfarrverweser gerechnet hatte, erklärte sich, von der korrekt kirchlichen Auffassung des Vikariatsverhältnisses ausgehend, für unfähig da zu fungieren, wo der rechtmäßige Hirte mit Unrecht des Amtes enthoben war. So mußte sich der aufgestellte Pfarrverweser zu einem höchst unbequemen Versuch, in der Gemeinde Neuendettelsau zu amtieren, herbeilassen. Allein die Gemeinde verzichtete lieber auf die gottesdienstliche Erbauung und legte sich lieber freiwillig eine Art geistliches Interdikt auf, als daß sie durch Teilnahme an dem Sonntagsgottesdienst die Suspension ihres rechtmäßigen Hirten anerkannt hätte. Die Glocken läuteten zur Kirche: aber niemand kam, es war still im Dorfe, wie wenn die Glocke bloß zu dem Gebet in den Häusern erinnern sollte. Man hielt Hausgottesdienst; in der Kirche selbst war nur eine kleine Anzahl von Menschen, 30–40 bestehend aus etlichen Neugierigen und aus der Partei der Gottlosen, welche, den Bräutigam in der Mitte, sich nun auch einmal in der Kirche als Herrin fühlte. – Es wäre in der That kein Wunder gewesen, wenn die vorhandene Unzufriedenheit in der Gemeinde unter solchen Umständen zu Unordnung und Aufruhr geführt hätte. Da die Gemeinde keinen Verweser anerkennen wollte, beschloß ein Sterbender das Sakrament lieber nicht zu nehmen als bei ihm. Ein Hausvater, dem ein Kind geboren wurde, befragte sich persönlich bei dem Pfarrer, ob es nicht besser wäre, wenn er, der Vater, in dieser Not es selbst taufte. Andere, welche an den Nöten der Landeskirche von länger her teil genommen und getragen hatten, wünschten auszutreten. Da wäre in der That Zunder genug vorhanden gewesen, wenn man hätte Feuer haben wollen. Dagegen aber wurde der Hausvater unterrichtet, daß es auch eine Nottaufe

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 500. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/506&oldid=- (Version vom 1.8.2018)