Seite:Wilhelm Löhes Leben Band 3.pdf/101

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

(freilich – wie es unmittelbar darauf heißt – noch keine „bis in die letzten Fasern der Lehrentwicklung gehende Einigkeit“).




 Indes die beiderseitigen Hoffnungen gingen nicht in Erfüllung. Die Missourier täuschten sich in der Erwartung, daß Löhe ihrer Meinung mit der Zeit beifallen werde, und Löhe irrte, indem er den Missouriern Freiheit des Geistes genug zutraute, um in einer kirchlich noch nicht abgeschlossenen Frage neben ihrer Anschauung einer abweichenden Raum zu lassen.[1] Die räumliche Entfernung schien auch die Gemüter wieder einander mehr zu entfremden. Löhe nahm Missouri gegenüber eine reserviertere Haltung ein, welche auf missourischer Seite Mißtrauen erweckte und zu allerlei Mißverständnissen Anlaß gab. Bei der Anwesenheit der missourischen Delegaten war auch der Plan zur Errichtung eines Schullehrerseminars besprochen worden, zu welchem Löhe die Mittel aufbringen zu wollen versprach. Das Seminar sollte der Synode von Missouri dienen, die Leitung desselben wollte sich jedoch Löhe so lange vorbehalten, bis das Seminar eine völlige Dotation und eine feste Einrichtung und Gestalt gewonnen hätte. Löhe hatte zu diesem Vorbehalt seine besonderen Gründe. Einmal glaubte er, durch ein gewisses Maß von selbständigem Auftreten gegenüber der Missourisynode einen tatsächlichen Protest gegen ihre zur Trennung treibende


  1. Den Missouriern erschien sie freilich als abgeschlossen, da ja gerade um die beiden Fragen von Kirche und Amt sich insonderheit die Lehrkämpfe der Reformation bewegt hätten. Mit Recht erwiderte aber Löhe, daß die positive Darlegung der schriftmäßigen Lehre in jenen Stücken unsern Vätern weniger gelungen sei, als die Abwehr der römischen Irrtümer, und daß die hieher gehörigen thetischen Aufstellungen der Symbole keineswegs so abschließender und entscheidender Natur seien, daß nicht Meinungsverschiedenheiten hätten entstehen und bis zur Stunde fortbestehen können.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 3). C. Bertelsmann, Gütersloh 1892, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_3.pdf/101&oldid=- (Version vom 1.8.2018)