Seite:Wilhelm Löhes Leben Band 3.pdf/273

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geweiht und bezogen wurde. Nur ungern adoptierte man den für dergleichen Anstalten einmal herkömmlichen Namen „Magdalenium“. Löhe erachtete die Tradition, welche die große Sünderin Luc. 7 mit der Luc. 8 zum erstenmale genannten Jüngerin Jesu Maria Magdalena für Eine Person hält, als gänzlich unbegründet. Es sei ein eigentümliches Loos, – meinte er – das dieser Freundin Jesu zu teil geworden sei, daß sie, obwol ein sittlicher Flecken an ihrem Leben nicht nachweisbar sei, doch nunmehr „im weitesten Kreise als Herzogin und Patronin derjenigen Frauenspersonen gelte, die nach einem Leben in Sünden wider das sechste Gebot zur Reue und zum Glauben gekommen sind, ja daß man diejenigen, welche nach einem sündenvollen Leben in Besserungsanstalten gebracht werden, Magdalenen heiße, sogar noch ehe sie nur den geringsten Beweis gegeben haben, daß ihnen ihre Sünden leid thun.“ Die römische Bezeichnung für dergleichen Anstalten ist ohne Zweifel passender, aber auf evangelische Anstalten gleichen Zweckes doch auch nicht einfach übertragbar. Trotz des eigenen Hauses, das nun für diesen Zweck erbaut war, trat doch neben den übrigen Zweigen Neuendettelsauer Diakonissenthätigkeit die Magdalenenpflege verhältnismäßig zurück. Daß das Magdalenium diejenige der Löheschen Anstalten war, deren Bedürfnis und Absicht von der Gemeinde und der umwohnenden Landbevölkerung am wenigsten verstanden wurde, kann nicht Wunder nehmen. „Sowie man (in diesen Kreisen) – sagt Löhe – den Anstalten für Arme dadurch widerstrebt, daß man den Erfahrungssatz aufstellt: „Je mehr Wohlthätigkeitsanstalten, je mehr Arme,“ so ist man auch geneigt, Magdalenien am Ende gar für eine Unterstützung des sündlichen Lebens anzusehen. Prügel und Zuchthaus scheint dem Volk noch immer die beste Methode für die Gefallenen zu sein.“ Es gehört ja freilich schon ein Verständnis, ja mehr als das: eine Erfahrung der suchenden Hirtenliebe des Heilands und andrerseits ein heiliger

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 3). C. Bertelsmann, Gütersloh 1892, Seite 268. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_3.pdf/273&oldid=- (Version vom 1.8.2018)