Seite:Wilhelm Löhes Leben Band 3.pdf/87

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

und Jurisdiktion,“ wenn man Tendenz und Zusammenhang des Ganzen außer acht läßt, einzelne Stellen herausgreifen, welche direkt die missourische Theorie von der Entstehung des heiligen Amtes zu bestätigen scheinen. Der Zweck des letztgenannten Abschnitts ist freilich zunächst kein anderer als der Nachweis der Rechtmäßigkeit der Presbyterordination, d. h. der Ordination von Pfarrern durch Pfarrer, im Gegensatz zu der römischen Behauptung, daß nur der Bischof die Priesterweihe gültig erteilen könne. Die ganze Beweisführung zweckt doch offenbar auf den Satz ab: Quum jure divino non sint diversi gradus episcopi et pastoris, manifestum est ordinationem a pastore in sua ecclesia, factam jure divino ratam esse. Es handelt sich also um Rechtfertigung eines Notstandes, der im Grunde keiner war und auch von unsern Vätern gar nicht als solcher, sondern nur als eine durch den Wegfall der bischöflichen Autorität in der evangelischen Kirche nötig gewordene Abweichung von der politia canonica angesehen wurde. Nur um diesen Beweis (für die Rechtmäßigkeit der Presbyterordination), der durch die Geltendmachung der wesentlichen Gleichheit des bischöflichen und des Presbyter-Amtes bereits zur Genüge erbracht war, noch zu verstärken, wird dann auf den wirklichen Notfall rekurriert, wo das Amt und der Dienst des Amtes völlig unerreichbar ist, in welchem Falle denn auch „ein schlechter Laie einen andern absolvieren und sein Pfarrherr werden kann“ (M. p. 341). Nun ist es ja sonst allgemein zugestanden, daß der Notfall seinem eigenen Gesetze gehorcht, und daß die Erlaubnis, welche er gewährt, nicht zu einer Regel verallgemeinert werden darf. Missourischerseits argumentierte man aber umgekehrt: Gerade aus dem Notfall werde das Recht und die ursprüngliche Ordnung klar, denn woher könnte der einzelne das Recht zur Verrichtung geistlicher Funktionen nehmen, wenn er es nicht auch abgesehen von dem Notfall besäße, wenn es nicht schon in dem geistlichen Priestertum des einzelnen Gläubigen

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 3). C. Bertelsmann, Gütersloh 1892, Seite 82. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_3.pdf/87&oldid=- (Version vom 1.8.2018)