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gewährt. Dadurch wurde der theologische Gegensatz zwischen beiden Synoden zu einer praktisch-kirchlichen Streitfrage verschärft. Der Streit wurde auf beiden Seiten mit Bitterkeit geführt, und auch in der Nachahmung des scharfen und derben Tones altlutherischer Polemik zeigten beide Teile gleiche Virtuosität.

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 Dies war das Verhältnis beider Synoden, als Löhe den Frieden zwischen ihnen zu vermitteln suchte. Ihm schien dieser Versuch nicht aussichtslos, sofern in der eigentlichen theologischen Streitfrage die Anschauungen der beiden Gegner sich nicht principiell unversöhnlich gegenüber standen. Ein mandatum divinum, eine göttliche Einsetzung des Predigtamts, erkennt ja auch die Missourisynode an. Die Streitfrage beschränkte sich also im Grunde auf den modus der Amtsübertragung, und in der hierüber noch verbleibenden Differenz zwischen beiden Synoden konnte Löhe kein Hindernis gegenseitiger Anerkennung und kirchlicher Gemeinschaft erkennen. Er sah ja, daß in der Lehre vom Amt und von der Ordination zwei nachweislich bis auf Luther und Melanchthon zurückzuführende Strömungen[1] in der lutherischen Kirche nebeneinander hergingen; eine mehr demokratische und eine mehr hierarchische (beide Ausdrücke natürlich ohne übeln Nebenbegriff genommen). Er erbrachte dafür auch den Nachweis in seiner „Beurteilung des kirchlichen Differenzpunktes zwischen P. Grabau und den sächsischen Pastoren


  1. Löhe berief sich gern darauf, daß die Reformatoren und Kirchenordnungen seines geliebten Frankenlandes einer Anschauung von Amt und Ordination zugethan waren, in der er die seinige wieder erkannte. Man vergleiche z. B. die letzte der der Nürnberg-Brandenburgischen Kirchenordnung beigegebenen Kinderpredigten von 1592, in welcher folgende Stelle sich findet: „Es ist das Predigtamt, das unser HErr selbst angefangen, eingesetzt und verordnet hat, immer von einem auf den andern kommen durch das Auflegen der Hände und Mitteilen des heiligen Geistes bis auf diese Stund. Und das ist auch die rechte Weise, damit man die Priester weihen soll und allewege geweihet hat und soll noch also bleiben.“
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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 3). C. Bertelsmann, Gütersloh 1892, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_3.pdf/91&oldid=- (Version vom 1.8.2018)