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Gustav Carl Julius Berring : Die Tauerei-Schiffahrt auf der Seine

eingestellt. Bis zum Jahre 1875 lag in der 58 km langen Stromstrecke von Rouen abwärts bis Trait auch eine Kette und ist die Tauerei dort ebenfalls betrieben worden, während zwischen Trait und Le Havre mit Remorqueuren geschleppt wurde. Im Jahre 1876 wurde die Kette unterhalb Rouen der starken Versandung wegen überhaupt aus dem Strome beseitigt.

Außer im Bereiche dieser 4 Gesellschaften wird in Frankreich mit Ausnahme einiger untergeordneten Canalstrecken die Tauerei nicht betrieben und ist demnach zur Zeit in der Hauptsache auf einen Wasserweg von 441 km Länge beschränkt. Hiervon gehören allein 348 km der Seine an, nämlich der ganze Lauf derselben von Montereau bis Rouen; nur 93 km entfallen auf die Yonne von Montereau bis Laroche. Man kann also sagen, daß der Mittelpunkt des ganzen französischen Tauerei-Betriebes Paris ist.

Die Kette.

Die Einrichtungen der Schiffe und Maschinen sind bei den vier Gesellschaften in allen wesentlichen Stücken dieselben. Als Tau dient überall eine schmiedeeiserne Kette, meistens von 21 mm Durchmesser. Die Schaken sind ohne Steg, und das Gewicht der Kette beträgt für das Meter 9 bis 10 kg. Als Hauptgrund für die Wahl der Kette an Stelle des Drahtseiles wird trotz der vermehrten Kosten gerade das größere Gewicht derselben angeführt, sodann erblickt man aber auch in dem Umstande, daß die Kette, wenn sie gerissen ist, sich leichter wieder herstellen läßt als ein gerissenes Drahtseil, einen Nachtheil dieses letzteren.

Die Tauer.

Die Schiffe (toueurs) sind mit Ausnahme des hölzernen Decks in Eisen gebaut und in den äußersten Maßen 40,30 m lang, 6,20 m breit, in der Mitte 2,50 und an den Seiten 2,40 m tief. Mit Ausnahme der abgerundeten unteren Kante ist der Querschnitt ein rechteckiger, der Schiffsboden also horizontal. Die beiden Enden des Schiffes sind genau halbkreisförmig begrenzt. Bei normaler Belastung haben die Tauer einen mittleren Tiefgang von 1,20 m: am hinteren Ende tauchen sie erheblich tiefer ein, als am vorderen. Jedes Schiff ist mit 2 Schrauben versehen, so daß es – wenn die Kette abgeworfen ist – sich frei wie ein Remorqueur bewegen kann. Die Bedienungs-Mannschaft bilden 7 Personen, nämlich 4 Mann auf dem Deck (Capitain, 2 Steuerleute, 1 Schiffsjunge) und 3 Mann an der Maschine (Maschinist und 2 Heizer).

Die Tauerei auf der unteren Seine.

Was speciell die Tauerei auf der unteren Seine zwischen Conflans und Rouen anlangt, so kann folgendes angeführt werden: Die Gesellschaft besitzt im ganzen 8 Tauer. Für den normalen Betrieb im Sommer (Mai bis November) werden hiervon nur 4 Schiffe in Dienst gestellt, während im Winter (November bis Mai) 5 oder 6 Tauer erforderlich sind. Die Abfahrten finden sowohl in Conflans wie in Rouen regelmäßig alle 2 Tage statt, und wenn der Verkehr es verlangt, werden zwischendurch noch Züge angeordnet. – Die ganze Strecke von 171 km Länge wird bergwärts im Sommer in 4 Tagen, im Winter in 6 Tagen zurückgelegt. Nachtfahrten finden nicht statt. Die Thalfahrt dauert dagegen im Sommer nur 21/3 Tage, im Winter höchstens 3 Tage. Wenn die Tauer mit der Schraube thalwärts fahren, legen sie den Weg aber in 13 bis 15 Stunden zurück und durchfahren alsdann also durchschnittlich in der Stunde 111/2 bis 13 km.

Die Zahl der angehängten Kähne beträgt höchstens 15 bis 18 Stück, je nach der Ladung, welche bei niedrigem Wasserstande in der Regel nur zur Hälfte vorhanden ist. Die in fraglicher Stromstrecke cursirenden Kähne sind folgende:

  1. Die großen aus der Normandie kommenden Fahrzeuge von 450 bis 500 Tonnengehalt,
  2. Die „péniches du Nord“ von 260 bis 280 Tonnengehalt,
  3. Die „chalands pontés“, welche bis Le Havre gehen und gegen 300 Tonnen fassen.

Die unter b. genannten Fahrzeuge, welche in der Regel 35 m lang und 5 m breit sind, finden sich am häufigsten. Sie haben eine äußerst plumpe, kastenartige Form, da sie parallelepipedisch mit abgestumpften Ecken erbaut sind. Der Bau von Schiffen für die Binnengewässer scheint in Frankreich noch ziemlich unentwickelt zu sein. Im allgemeinen dürfte die Ladung, welche ein Tauer zwischen Rouen und Conflans bergwärts bringt, das Maß von 1800 bis 2300 Tonnen, also 36 000 bis 46 000 Centner nicht übersteigen. In der Strecke von Conflans bis zum Canal Saint-Denis steigert sich die Ladung eines Trains aber auf 5000 Tonnen = 100 000 Centner. Maßgebend ist die Art der Kähne, aus welchen der Zug sich zusammensetzt. – Im Jahre 1877 haben die Tauer der in Rede stehenden Gesellschaft 170 Fahrten zwischen Rouen und Conflans ausgeführt und nahezu 551/2 Millionen Tonnen-Kilometer geleistet. Die „Compagnie de la basse Seine et de l’Oise“, welche auf dem frequentesten Theile des Stromes arbeitet, hat in demselben Jahre dagegen fast 661/4 Millionen Tonnen-Kilometer aufzuweisen.

Aus der nachstehenden Tabelle ergeben sich die Einzelheiten.

Betrieb der Tauerei zwischen Paris und Rouen im Jahre 1877.
Bezeichnung der Stromstrecken. Bergfahrt Thalfahrt Beide Fahrten
Kähne Tonnen Kähne Tonnen Kähne Zusammen
leer beladen leer beladen leer beladen Kähne Tonnen
Rouen–Conflans 839 665 190 220 785 225 184 578 1624 890 2 514 374 798
Conflans–St. Denis 4927 358 4 366 589 438 2135 2 081 767 5365 2493 7 858 6 448 356
St. Denis–Paris 2751 1110 728 732 181 703 43 694 2932 1813 4 745 722 426
9921 5196 15 117 7 595 580

Die vorhandenen Schleusen sind in den Kammern 120 m lang und 12,25 m breit, fassen daher von den gewöhnlichen Kähnen 6 Stück auf einmal, oder den Tauer und 5 Kähne. Die jetzt im Bau begriffenen Schleusen werden in der Regel einen ganzen Schleppzug einschließlich des Tauers aufnehmen können. Anfangs war es nicht gestattet, die Kette durch die Schleuse durchzuführen, jede Schleuse unterbrach vielmehr den Kettenstrang. Dies Verbot ist jedoch längst aufgehoben, und die Tauer nebst den zunächst folgenden Schiffen ziehen sich an der Kette in die Schleuse hinein. Um zu ermöglichen, daß die Kette beim Schluß der Thore genau richtig liegt, hat de Lagrené eine höchst einfache Vorrichtung angebracht. Es liegt nämlich quer durch jedes Schleusenhaupt unter der Tauerkette eine kleine andere Kette, welche, wenn sie mit einer auf der Mauer befindlichen Winde angezogen wird, die Tauerkette aufhebt. Diese wird dann so geführt, daß sie in den Falz trifft, der in den Schlagsäulen der Thore zu ihrer Umschließung ausgearbeitet ist. Durch die Schleuse bei Bougival war die Kette bisher noch nicht geführt. Die Tauer fuhren überhaupt nicht ein, sondern es lag oberhalb der Schleuse ein Tauer, der den von unten kommenden Zug weiter beförderte und umgekehrt. Diese Art des Betriebes soll aber jetzt aufhören, und man will die Kette ebenfalls durch die Schleuse hindurchführen.

Mit Ausnahme derjenigen Kähne, welche der Tauer noch mit in die Schleuse hineinziehen kann – und dies sind nur sehr wenige – müssen die zu einem Train gehörenden Fahrzeuge sämtlich von Menschen oder Pferden in die Schleuse geschafft werden. Weil hiermit ein erheblicher Aufenthalt verbunden ist, beabsichtigt man, mit jeder Schleuse die Anlage einer kleinen Turbine zu verbinden und wird hiermit wahrscheinlich zunächst an der Schleuse zu Bougival versuchsweise vorgehen. Mit Hülfe der Turbine sollen auch die Schützen zum Oeffnen und Verschließen der Umläufe bewegt werden.

Was schließlich noch die Transportkosten nach den im Anhange beigefügten Tarifen der 4 Tauerei-Gesellschaften anlangt, so sind dieselben niedriger, als die Kosten, welche beim Schleppen der Kähne durch Remorqueure und beim Schiffszuge mittels Pferde entstehen. Diese werden zwar sehr verschieden angegeben, doch kann man wohl annehmen, daß letztere pro Tonne und Kilometer zwischen 0,03 und 0,05 frcs., erstere dagegen zwischen 0,03 und 0,035 frcs. betragen.

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Carl Julius Berring : Die Tauerei-Schifffahrt auf der Seine.. Centralblatt der Bauverwaltung, Berlin 1881, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:ZBBauverw_1881_22.pdf/2&oldid=- (Version vom 1.8.2018)